Erstmals wird das Werk des französischen Malers Bernard Buffet in Deutschland umfassend vorgestellt. Die Bilderschau in der Kasseler doumenta-Halle wirkt er-
schlagend.
Es riecht immer nach Verschwörung, wenn ein Maler gegenständlich arbeitet und dazu populär ist, von der Kritik aber verdammt und vom Kunstmarkt verdrängt wird. Hat sich also die Kunstwelt gegen den heute 65jährigen französischen Maler Bernard Buffet verschworen, der Anfang der 50er Jahre als der neue Picasso gefeiert wurde? Ist nicht das Clownsporträt von 1955 immer noch das Leitbild einer Epoche? Oder hat Buffet selbst dazu beigetragen, dass sein künstlerisches Ansehen litt?
Nun, Erfolg hat Buffet trotz allem: Die Japaner richteten ihm ein eigenes Museum ein, er war als Bühnenbildner gefragt und verkauft wohl so gut, dass er einen Landsitz nach dem anderen erwarb. Warum aber wollen die deutschen Museen nichts von Buffet wissen? Das Tübinger Institut für Kulturaustausch fand in der Kasseler documenta-Halle den geeigneten Ort, um erstmals in Deutschlands Buffets Gesamtwerk zur Diskussion zu stellen. Die Halle bot sich deshalb an, weil sie zwischen den documenten kommerziell genutzt werden soll, sie dann also im kunstfreien Raum steht.
Die Organisatoren Otto Letze und Thomas Buchsteiner meinten es gut mit Buffet: Inspiriert von der Weite der Halle ließen sie sich dazu verführen, die Wände mit Riesenformaten vollzupflastern. Die Ausstellungsbesucher finden sich plötzlich als kleine Gestalten in einem riesigen Bilderwald wieder, in dem die übermächtigen gemalten Figuren drastisch und plakativ von der Lust und vom Elend der Welt berichten. Selbst für denjenigen, der sich an solchen Bildern erfreuen kann, wird die Ausstellung aufdringlich.
Wenn sich Buffet in den letzten Jahren noch malerisch entwickelt haben sollte, dann weiß das diese Ausstellung zu verbergen. Der Franzose war und ist hochbegabt. Seine frühen Bilder zeugen von einer hohen malerischen Kultur, obwohl die Formen und die elend-traurigen Figuren im Stile Beckmanns in ein schwarzes Liniengerüst gefasst waren. Buffet probierte danach viel aus – stille Stilisierungen, überschäumenden Surrealismus, anklagenden Expressionismus und modische Figurenwelten. Doch in der Grundanlage seiner Bilder wiederholte er sich; und je größer die Gemälde wurden, desto plakativer und illustrativer fielen sie aus. Größe ist eben nicht eine Frage des Formats.
Dabei trifft keineswegs die Unterstellung zu, Buffet produziere alle seine Bilder fabrikmäßig. Das Gemälde mit den zwei Rochen (1963) verrät tiefes malerisches Empfinden. Dagegen wirken die kurz darauf entstandenen schwarz-weißen Bilder, in denen Buffet entkleidete Frauen dargestellt hat, erschreckend leer. Es ist, als hätte Buffet Bühnenbilder geschaffen, die auch auf Entfernung leicht lesbar und verständlich sind. Manches könnte als ein verzweifelter Kommentar zur Zeit verstanden werden. Doch Buffet selbst sieht sich nicht als Ankläger, sondern als Maler, der ohne Umschweife vor die Leinwand tritt. Ihn mag die Lust an der Malerei antreiben. Doch die wirkliche Freude an der Farbe und Fläche entdeckt man nur in den früheren und kleineren Bildern. Sie bieten eine Art Zuflucht in der Ausstellung.
HNA 3. 5. 1994