Eine Porträtistin von bezwingender Art stellt sich in der Galerie Winkenjohann (Annastraße 11) vor: Die in Köln lebende Malerin und Grafikerin Tremezza von Brentano (Jahrgang 1942) zeigt bis Ende Februar 56 Arbeiten – großformatige Ölbilder, Kohlezeichnungen und Radierungen.
Wer genau hinschaut, merkt bald, dass es der Malerin nur selten um das Individual-Porträt geht. Jenes zarte, empfindsame und dabei so treffende Bildnis des Aktionskünstlers Dieter Reick gehört zu den großen Ausnahmen. Tremezza von Brentano drängt es, insbesondere bei den Frauen-Bildnissen (die auch überwiegen), zu Typisierungen; nicht einzelne Gesichtszüge, sondern Ausdrucksformen und Haltungen sind ihre Themen. Der meist vereinzelte Mensch wird daher auch immer in einem konkreten, ihn prägenden Raum gezeigt.
Auf Umwegen hat die Künstlerin zum (kritischen) Realismus gefunden. Ihre Formensprache nimmt Elemente auf, die für Picassos nachkubistischen Realismus bestimmend waren. Tremezza von Brentanos Menschen sind von einer ähnlich starken körperlichen Präsenz, von einer die Fläche aufbrechenden Prallheit. Allerdings müssen sie auf die tänzerische Munterkeit verzichten; sie stehen und sitzen gedrückt und verlassen, so als hätten sie wenig zu hoffen.
Die intensive Wirkung der Körper rührt aus der Betonung der leicht klobigen Hände und Füße. Wenn die Füße nicht nackt sind, haben sie sich wenigstens aus den Schuhen befreit, um geradezu aggressiv in den Vordergrund vorzudringen. Der auf sie gelenkte Blick gerät von dort aus ganz unversehens auf die Umgebung, die mal chaotisch, mal öd und steril erscheint.
Die Künstlerin beherrscht ihre Ausdrucksmittel. souverän. Die durchweg in der Bildmitte angesiedelten Figuren dominiert den Raum, in dem sie sich auch verlieren. Insbesondere sich selbst, die Malerin, sieht sie in der Isolation: In einem grau-blaugrünen programmatischen Bild „Künstlerin“ stellt sie sich mit einer Leinwand dar, von der man nur die Rückseite sieht, während die Leute, das Publikum, zum fernen Horizont rennen und starren. Neben diesem tristen Farbspektrum bevorzugt Tremezza von Brentano immer wieder auch warme Rot-Braun-Töne. Obwohl die Bilder statuarisch wirken, erzählen sie pulsierende Geschichten, sind vielfältig ausdeutbar.
In ihren Ölbildern ist die Künstlerin ganz Malerin. Umso überraschender ist ihre bewegungsstarke, dynamische Strichführung in den Grafiken.
HNA 8. 1. 1983