Malerei oder Relief?

Die Reihe „Junge Kunst im Kasseler Raum“ in der Neuen Galerie hat sich zu einer guten und erfrischenden Ausstellungsserie entwickelt. Die vorliegenden Dokumentationen für die Jahre 2001 und 2002 bestätigen das. Allerdings darf man das Wort jung nicht zu eng auf die Biografien der Künstler beziehen, denn Erika Breuer, die jetzt ihre Arbeiten ausstellt, ist nicht die erste, die mit 50 dort zu Ausstellungsehren kommt. Gemeint ist mit dem Begriff „Junge Kunst“ vor allem die neue, ungewohnte Kunst.
Erika Breuer, die an der Werkakademie lehrt, hat sich in Kassel einen Ruf als Zeichnerin und Malerin erworben. Ihre oxydschwarzen und grafitgrauen Bilder zeichneten sich einerseits durch konstruktive Strenge und andererseits durch Plastizität und Sinnlichkeit der Farben aus. Vor einiger Zeit hat sie die Front gewechselt und sich dazu entschieden, aus Paraffin (Wachs) Bilder aufzubauen.
Die Schichten werden gegossen und geschliffen. Auf diese Weise entstehen milchigweiße, transparente Farbkörper. In die Paraffin- Schichten hat die Künstlerin zarte Farbspuren eingebracht, die man von der Form her nicht identifizieren kann, die aber wie aus der Tiefe kommende Schattierungen wirken. Die objekthaften Bilder bewegen sich genau auf der Grenzlinie zwischen Relief und Malerei.
Die Künstlerin hat gegliederte Werkgruppen geschaffen, in denen scharf gezogene Linien die Schichten als Lichtkanten abgrenzen. Durch sie entsteht eine bestechende Formensprache, die in der besten Tradition des Konstruktivismus steht. Überblickt man die Arbeiten aus der Ferne, dann überwiegt am Ende doch der reliefartige Charakter.
Die für den Kasseler Raum in der Neuen Galerie geschaffene Installation ist von äußerster Perfektion. Dagegen hat Erika Breuer im Eingangsbereich eine Serie spontaner, expressiver Zeichnungen gesetzt, die verraten, dass die Künstlerin auch einen emotionalen Zugang zu ihrer Arbeit hat.
HNA 22 12. 2003

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