Lange war er der Vorzeigekünstler der DDR, jetzt ist es offiziell still um ihn geworden. Seine Bilder sind aber bei Privatsammlern begehrt. Willi Sitte wird heute 75.
Zum Systemwechsel gehört der Bildersturm. Willi Sitte ist das wohl prominenteste Beispiel dafür. So, wie sich vor der Wende in fast allen Museen der DDR Bilder von Willi Sitte be-fanden, so ist heute in den ostdeutschen Museen kaum noch eie Gemälde von seiner Hand zu sehen. Auch sein größtes Werk, das 250 Quadratmeter große Wandbild „Kampf und Sieg der Arbeiterklasse“ das Willi Sitte für die Stadthalle in Suhl geschaffen hatte, wurde eingemottet. Am Vorabend seines 75. Geburtstages meldete sich nun eine Kunstinitiative zu Wort, die die Wiederanbringing des Wandbildes als Geste. der Versöhnung forderte.
Der aus Kratzau stammende Zimmermannssohn sitzt heute zwischen allen Stühlen. Aus Überzeugung war er, von Jugend an, Kommunist und aus Überzeugung ist er als Maler Realist. Aber weder die Realisten sind im Kunstbetrieb gefragt noch die Parteigänger der Kommunisten, sofern sie sich mit der Macht einließen. So wird Sitte, der über viele Jahre Präsident des Verbandes Bildender Künstler in der DDR war, mit den Reprbentanten des Sozialistischen Realismus gleichgesetzt, obwohl er zu den Überwindern dieses engen Denkens zu zählen ist.
Willi Sitte ist ein, sinnlicher Maler. Lovis Corinth und dem frühen Dix steht er nahe und der großen Tradition sowieso. Er schwelgt gerne in Farben und hat Lust am Körperlichem In den letzten Jahren ist seine Malerei strenger und klassischer geworden – in gewisser weise auch freier. Nun reibt er sich gerne an der Moderne. Er war und ist eben mehr als nur der. erste Maler eines Staates.
Aufgrund der Polemiken ge¬gen ihn hat Sitte, der Professor an der Kunsthochschule in Halle war, sich dagegen entsehieden, im östlichen Teil Deutschlands auszustellen. Doch auch wenn der offizielle Kunstbetrieb ihn ebenso schneidet wie seine. Weggenossen Tütbke und Heisig seine Bilder bleiben viel gefragt. Seine Sammler und Galerien findet er nun allerdings im Westen.
HNA 28. 2. 1996