Austesten als Programm

In einer öffentlichen Veranstaltung des documenta forums hat sich Susanne Pfeffer (Jahrgang 1973) als neue Leiterin der Kunsthalle Fridericianum in Kassel vorgestellt. Susanne Pfeffer hatte zuletzt von 2007 bis 2012 als Chefkuratorin bei den KunstWerken in Berlin gearbeitet, unter deren Dach auch die Berlin Biennale organisiert wird.
Die Kunsthistorikerin, die auch bei Udo Kittelmann in Frankfurt und als Leiterin des Bremer Künstlerhauses gearbeitet hatte, gewann schnell die Sympathien der Zuhörer durch ihre klare und anschauungsreiche Vortragsweise. Über ihre Kasseler Pläne sagte sie so gut wie nichts. Aber zwei Grundprinzipien ihrer Arbeit gab sie preis: Da sie sich selbst als Vermittlerin zwischen den Künstlern und dem Publikum versteht, wird die Vermittlungsarbeit eine zentrale Rolle spielen. Sie hat speziell Kinder, Jugendliche und die Kunsthochschule im Blick. Zum anderen wird man unter ihrer Leitung Ausstellungen in den Bereichen erleben, an dem der mainstream gerade nicht zu sehen ist. Sie liebt es, die Grenzen der Kunst auszutesten und Künstlern dort Räume zu überlassen, an denen das Scheitern im Bereich des Möglichen liegt.
So entschied sich Susanne Pfeffer unmittelbar nach ihrer Berufung an die KunstWerke für eine Ausstellung mit dem Außenseitermaler Joe Coleman, der eher in der Comic- und Untergrundkunst zu Hause schien. Die Coleman-Schau War die Antwort auf die Biennale von Venedig und die documenta, die 2007 stattfanden. Die Collageartigen Gemälde, sorgfältigst mit einem Feinhaarpinsel gemalt, bilden eine Nachhut der Pop-art.
Mehrfach entwickelte sie im Dialog mit Künstlern Experimente. So lud sie für die Ausstellung „… 5 minutes later“ die Teilnehmer dazu ein, Werke zu zeigen, die sie in fünf Minuten ausgeführt hatten. In der Ausstellung „One to one“ waren 17 Räume zu sehen, in die jeweils nur ein Besucher gehen konnte. Deshalb bildeten sich vor zahlreichen Räumen Schlangen, so dass die Besucher miteinander ins Gespräch kamen und somit die Ausstellung eine neue Kommunikationsstruktur herstellte.
Ein anderes Mal verwandelte Susanne Pfeffer die Räume in Kinosäle, in denen es Popcorn zu kaufen und essen gab. Gezeigt wurden Vor- und Abspänne von Filmen unterschiedlichster Art. So hatten in den 60er-Jahre die Macher der James-Bond-Filme unvergessliche (und dabei witzige) Vorspannerzählungen entwickelt.
Fast ein Abenteuer war die Ausstellung mit Cyprien Gaillard, in der in einem Raum eine blaue Pyramide aus Kästen mit türkischem Bier errichtet worden war. Dieses Gegenbild zum Pergamonaltar wurde der Lust des Publikums überlassen. Die Besucher machten von der Einladung, Bier zu trinken, reichlich Gebrauch und verwandelten die Pyramide in ein Schlachtfeld.
Susanne Pfeffer geht also sehr eigene Wege und verliert nie den Blick auf den ganzen Raum. Dies wurde auch in dem Ausstellungsprojekt von Renata Lucas deutlich, bei dem die Künstlerin bereits vor dem Eingang in die KunstWerke mit der Verschiebung von Achsen und Raumerlebnissen gearbeitet hatte.
Wenn Susanne Pfeffer von ihrem Publikum spricht, dann denkt sie nicht an die Repräsentanten der deutschen oder internationalen Kunstszene, sondern an die Leute vor Ort, die ins Fridericianum kommen. Wie bereits ihr Vorgänger Rein Wolfs meint sie, dass sie in Kassel dank der documenta ein sehr erfahrenes Publikum habe. Grundsätzlich wird sie Ausstellungen mit Künstlern des 21. Jahrhunderts planen. Eine größere Retrospektive eines Künstlers aus dem 20. Jahrhunderts will sie aber nicht ausschließen. Wir werden mit vier bis fünf Ausstellungen pro Jahr rechnen können.

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