Als siebte Künstlerin der Documenta 11 stellen wir Zarina Bhimji vor, die 1963 in Uganda geboren wurde. Sie lebt in London und arbeitet mit Fotografie und Installationen.
Zwei Jahre lang hat Zarina Bhimji als Kind in ihrem Heimatland Uganda hinter verschlossenen Türen und Fenstern gelebt. So groß war die Angst der Familie vor dem Terror, mit dem Idi Amin und sein Militär ab 1972 das Land überzogen. Zwei Jahre später floh die Familie und kam nach London, ohne ein Wort Englisch sprechen zu können.
Eine Künstlerin mit einer solchen Biografie braucht man nicht zu fragen, warum sie sich mit dem menschlichen Körper, seiner Schönheit und seiner Verletzlichkeit, mit der Gewalt und dem Tod auseinandersetzt. Das Leben hat Zarina Bhimji die Themen vorgegeben. Sie beschäftigt sich nun damit, die Spuren zu sichern und mit einzelnen Bildern, Gegenständen, Installationen und Klängen die Erinnerungen zu beschwören.
Zarina Bhimji kommt von der Fotografie her. Sie hat die Begabung, poetische Bilder zu komponieren, die Ruhe ausstrahlen, undramatisch wirken und oft einfach schön sind. Es gibt Aufnahmen, die suchen die Schönheit. In anderen Bildern hingegen ist die Poesie vordergründig.
Lässt man sich auf das Motiv ein, dann werden die Spuren der Gewalt und des Schreckens bewusst, die nur beiläufig enthalten sind. Das gilt etwa für die Fotografien von Häusern, die Zarina Bhimji 1998 aus Uganda mitbrachte und in Okwui Enwezors Ausstellung „The Short Century“ (in Mün¬chen und Berlin sowie derzeit in New York) präsentiert.
Die Künstlerin kehrte 24 Jah¬re nach ihrer Flucht in die Heimat zurück. Immer wieder entdeckte sie die Folgen der Gewalt aus der Zeit der Schreckensherrschaft. Sie fotografierte die unspektäkulären Zeugen des Unheils, nahm Videos auf und sammelte Tondokumente. Dies alles sind Ba¬siselemente für ein Filmprojekt, in dem sie sich der vergangenen Zeit und dem Klima jener Tage annähern will.
Zarina Bhimji arbeitet heute als Multimedia-Künstlerin, die alles das hinterfragt, was zum Verlust der Individualität, der Unversehrtheit und der Freiheit führt. So schuf sie eine bedrückende Installation, in der unter der Decke eines Saales Kinderjacken mit Brandflecken aufhängte.
In einem anderen Projekt stellte sie an zwei gegenüberliegenden Wänden schlichte, fast leere Regale auf, in die sie Porträtfotos setzte. Auf der linken Seite sah man ausschließlich Schwarzweiß-Aufnahm auf der rechten Seite nur Farbbilder. Zarina Bhimji wollte die entpersönlichte Art spiegeln, in der Institutionen Menschen archivieren und verwalten.
Die klare Trennung von Schwarzweiß- und Farbfotografie versteht sie zugleich als einen Hinweis auf die Deklassierung nicht-westlicher Menschen, seit zu Beginn des 19. Jahrhunderts die Verebungslehre entwickelt wurde. Gewalt spiegelt sich eben auch da, wo sie auf den ersten Blick nicht erkennbar ist.
HNA 9. 3. 2002