Die Documenta 11 zieht weite Kreise um ihr als Ausstellung entstehendes Zentrum. Nicht nur in den Plattform-Diskussionen, sondern auch in den Block-Veranstaltungen in der Kunsthochschule wird das gesellschaftlich-kulturelle Umfeld sorgfältig gesichtet und analysiert. Diese allmähliche Annäherung an den Kern soll, so kann man schließen, dazu beitragen, das als notwendig zn verstehen, was ab 8. Juni in Kas¬sel gezeigt wird.
Die Kunst als Selbstzweck oder als erschöpfende Auseinandersetzung mit der Form interessiert dabei nicht. Es geht vielmehr um die Verarbeitung dessen, was die Gesellschaft geformt oder deformiert hat oder was Lebensläufe beeinflusste. Es ist immer wieder die Suche nach der kulturellen Identität. Tania Bruguera, die kubanische Künstlerin, vermittelte das in einein geradezu erfrischenden Vortrag.
Selten erlebt man eine künstlerische Persönlichkeit, die in ihren Arbeiten so tief in die Mythen und gesellschaftlichen Widersprüche eintaucht und die dabei so natürlich die Fronten zwischen Kunst und Leben überwinden kann. Ihr Vortrag machte äußerst gespannt auf die Arbeit, die sie für den Sommer vorbereitet.
Nachdem Carlos Basualdo aus dem Kuratorenteam der Documenta 11 über die Ausstellungen als Labyrinthe der Geschichte ge¬sprochen hatte, kam mit Barbara Vanderlinden eine Gastrednerin zu Wort, die über die sprunghafte Ausweitung der Ausstellungen (Biennalen) und das Verhältnis von Ausstellung und städtischem Raum sprach.
Wie bei den künstlerischen Arbeiten geht es auch bei vielen Ausstellungsprojekten um die Suche nach der Identität. Am Beispiel der zum Weltkulturerbe erklärten Zeche Zollverein in Essen machte sie deutlich, wie jenseits eines Ausstellungs¬Events über künstlerische, architektonische und andere kulturelle Ansätze ein Ort neu definiert und möglicherweise zu einer anderen Identität geführt werden kann. Leider kam in der lebhaften Diskussion nicht zum Ausdruck, dass bereits Arnold Bode mit seiner Idee einer documenta urbana in eine ähnliche Richtung gedacht hatte.
HNA 8. 3. 2003