Vom Dokumentarfilm zum Internet

In der zwölften Folge unserer Künstler-Porträts zur Documenta 11 stellen wir die indische Gruppe Rags Media Collective vor, die 1991 gegründet wurde und in Neu Delhi auf vielen Ebenen arbeitet.

Bereits bei der documenta X kündigten sich neue künstlerische Denk- und Produktionsweisen an. Vor allem die Gruppen, die in der Orangerie mit neuen Formen des Radios und den Möglichkeiten des Internets experimentierten, ließen erahnen, dass die traditionelle Unterscheidung zwischen Künstlern, Produzenten und Vermittlern nicht mehr sinnvoll ist.

In den Projekten der indischen Gruppe Raqs Media Col¬lective, der Monica Narula, Jeebesh Bagchi und Shuddhabrata Sengupta angehören, werden diese systemübergreifenden Me¬thoden konsequent angewandt. Dabei haben die drei Medienkünstler die experimentellen Stadien weit hinter sich gelassen. Sie verstehen das Internet als einen neu gewonnenen Raum, in dem sich Fragen und Probleme öffentlich erörtern lassen, in dem viele an kreativen Prozessen teilhaben können und in dem Modelle für die Wirklichkeit entwickelt werden.

Ihre Internet-Seite www.sa¬rai.net präsentiert dementsprechend nicht nur selbst produzierte Bilder und Projekte, sondern auch dokumentarisches Material zu aktuellen Ereignissen und zudem Räume, in denen kreative Projekte zur Diskussi¬on gestellt werden und von an¬deren ergänzt, weiterentwickelt oder kommentiert werden kön¬nen. Somit bieten sie das Internet als demokratische Diskussions-Plattform und als ein Forum für diejenigen an, die sonst keine Möglichkeit haben, ihrem schöpferischen Potenzial Ausdruck zu geben.

Ursprünglich sind die drei Medienkünstler Dokumentarfilmer, die versuchen wollten, sich als unabhängige Filmemacher zu etablieren. Sie haben auch zahlreiche Filme gedreht. Die meisten von ihnen haben unmittelbar mit Indien und den widersprüchlichen Situationen in einem urbanen Raum wie Neu Delhi zu tun. In dem Film „In the eye of the fish“ (Im Auge des Fisches) geht es um drei junge Leute, die in verschiedenen Städten leben und unterschiedliche Sprachen sprechen.

Der Film versucht, die Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten – wie sie ihren Platz im Leben finden, welche Träume sie haben und welche Probleme zu bewältigen sind. Überhaupt hat sich Raqs Medi Collective in seinem filmische Werk intensiv mit den Lebensituationen junger Menschen beschäftigt. So wurde für das Fernsehen eine 13-teilige Serie gedreht, in der sich Persönlichkeiten an die Zeit ihres Heranwachsens erinnern und darüber nachdenken, was sie zu bewältigen haben.
In diesen Filmen haben drei Künstler das Thema gefunden, das sie bis heute fasziniert – das Ineinandergreifen subjektiver und intimer Erfahren sowie der gesellschaftlichen kulturellen Probleme eines urbanen Raumes.
HNA 28. 3. 2002

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