In einer Serie stellen wir die Kunstwerke vor, die aus einer documenta angekauft wurden und im Stadtraum zu finden sind. Heute: Per Kirkebys Backsteinbau neben der documenta-Halle.
Den dänischen Künstler Per Kirkeby und die Stadt Kassel verbindet eine langjährige, von Höhen und Tiefen gekennzeichnete Beziehung, die um ein Haar tragisch geendet wäre. Der Grund: In einer Nacht-und-Nebel-Aktion ließ die Stadt im Januar 1986 eine Backstein-Skulptur in Form eines verschlossenen. Hauses abreißen, obwohl der Künstler das zur documenta 7 (1982) neben der Orangerie errichtete Bau¬werk Kassel als Geschenk übereignen wollte. Proteste, auch von international tätigen Museumsleitern, konnten den Abriss nicht verhindern.
Eine Erinnerung an die in Trümmer gelegte Skulptur bewahrt die Neue Galerie. Dank einer Stifterinitiative erhielt sie das in Bronze gegossene Modell der Skulptur, das aber in seiner schlammig erscheinenden Gestalt völlig anders wirkt.
Dass sich trotzdem Kirkeby überreden ließ, für den öffentlichen Raum in Kassel nochmals eine Backstein-Skulptur zu entwerfen, wirkt wie ein Wunder. Doch im Zusammenspiel von documenta-Leiter Jan Hoet und dem Architekten der documenta-Halle, Prof. Jochem Jourdan, gelang 1992 das Kunststück. Nachdem Jourdan die documenta-Halle als ein Bauwerk geplant hatte, das wie eine Abfolge mehrerer Häuser wirkt, entwickelte Kirkeby seine Skulptur als eine Art, Fortsetzung. War sein Backsteinbau an der Orangerie rundum verschlossen, ließ er nun ein Haus entstehen, das sich nach allen Seiten öffnet. Aus dem Haus wurde ein archaisches Mäanderband. Beim Hindurchgehen bewegt man sich ständig zwischen innen und außen. Der Baukörper wird, wie Jan Hoet bei der Übergabe sagte, aufgehoben.
Gemauert wurden die Backsteinwände übrigens von Auszubildenden der Lehrbaustelle Kassel. Ihre Namen sind auf einer Tafel an der Skulptur verewigt. Gelitten hat das Werk mittlerweile durch Mal- und Sprühaktionen. Per Kirkeby kann man aber auch von einer ganz anderen Seite kennen lernen: Er ist nicht nur Bildhauer, sondern auch Maler, der in kräftiger und gestischer Manier arbeitet und Kompositionen schafft, die wild wie harmonisch wirken. Zwei seiner documenta-Gemälde besitzt die Neue Galerie.
HNA9. 4. 2002