Die Welt der mobilen Bilder

Zur Ausstellung „International Telecommunication Art“

Ein internationales Symposium auf Gotland: Zeitgenössische Künstler aus aller Welt sind geladen, Autoren und Wissenschaftler. Zur Runde werden sogar die Altvorderen gehören – Munch und Strindberg, Beethoven und Andersen, Einstein und Sibelius. Selbst die Namenlosen wurden nicht vergessen – die Runenschneider und Verfasser von politischen Manifesten. Ein Gipfeltreffen der Künstler, Ideen und Geistesgrößen. Doch die wenigsten der Künstler und Autoren werden (und können überhaupt) da sein. Nur eine‘ Handvoll Menschen wird das Ereignis auf der schwedischen Insel unmittelbar miterleben. Denn der künstlerisch-wissenschaftliche Austausch findet als ein tele-kommunikativer Kraftakt statt. Für Stunden wird ein kleiner Galerie-Raum auf Gotland dank des internationalen Telefax-Verbundes zum kreativen Zentrum von Bild-und Schriftkunst.
So könnte ein Vorwort beginnen, das fern von Gotland in einer deutschen Dachstube zu einem Zeitpunkt geschrieben wird, da noch niemand weiß, wie diese Telefax-Ausstellung aussehen wird, die gegenwärtige und vergangene Bildideen bündeln will. Doch eines ist gewiß: Die Ausstellung und der sie dokumentierende Katalog werden illustrieren, wie mobil und überall verfügbar unsere Bilder und Bildvorstellungen geworden sind. Was eben hier gezeichnet, gemalt, gedruckt oder geschrieben worden ist, kann Sekunden später am anderen Ende der Welt betrachtet und diskutiert werden.
Obwohl der Kopiertechnik eng.verwandt begründet die Telefax-Kommunikation noch keine neue Spielart der Kunst. Aber als eine. Sofortbildtechnik erlaubt sie die mühe- und schrankenlose Vervielfältigung von Kunst. Die Zeichner und Grafiker, die Holzschneider und Schwarz-Weiß-Maler werden hier triumphieren können, denn das, was sie zu übermitteln haben, kommt höchstwahrscheinlich klar an. Warum aber sollte ein monochromer Maler nicht auch eine graue Fläche übermitteln dürfen?
Spannend an dem Unternehmen ist die Umkehrung der Begriffe: Einer der eingeladenen Künstler hat möglicherweise eine Originalzeichnung hergestellt. Von der fertigt er eine Kopie, um diese als Fax zu übermitteln. Dieses Telefax ist eine doppelte Kopie, aber im Sinne der Ausstellung das Original. Ja, die Einsendung der Handzeichnung, die als Vorlage diente, würde das Projekt unterlaufen. Was würde Walter Benjamin zu dieser Verdrehung sagen?
Aber vielleicht sollte ein ganz anderes Vorwort geschrieben werden: Erst wußten die Künstler der Welt nichts voneinander. Dann unternahmen einige von ihnen abenteuerliche Reisen und schließlich wurden per Boten und Postkutsche Stiche und Drucke versandt. Endlich aber wurde die Telefax-Technik erfunden, die nicht nur schneller als die aktionististische Mail-art ist, sondern auch noch den Vorteil hat, daß sie alle Bildideen in gleicher Weise glatt und grau bügelt und auf das Einheitsformat DIN-A4 bringt.
Nein, ich sollte ganz anders anfangen und einfach schreiben: Kunst ist Kommunikation. Das reicht.

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