Ein wundersamer Poet (2)

Der Nachtrag ist überfällig.
Vorige Woche wurde Fritz Schwegler beigesetzt, aber nicht, wie mit Harry Kramer und der Stiftung Künstlernekropole vereinbart, oberhalb des Blauen Sees im Habichtswald, sondern in Breech bei Göppingen. Der Verdacht liegt nahe, dass sich Schweglers Familie, insbesondere seine Frau, die schon immer Vorbehalte gegenüber der Nekropole hatte, über die mit dem Künstler getroffene Vereinbarung hinwegsetzte. Es kann aber auch sein, dass Schwegler irgendwann den Streit um seine letzte Ruhe leid war und von seiner Zusage abrückte. Dafür spricht, was Lutz Freyer, zusammen mit seiner Frau Silvia Meisterschüler Schweglers an der Akademie in Düsseldorf, von einem Gespräch mit Schwegler berichtet. Auf die Künstlernekropole angesprochen habe der Künstler gemeint, nach seinem Tod könne Erde aus seinem Grab zu seinem Monument in Kassel gebracht werden.

Natürlich wäre jetzt nichts übler als ein Streit über Schweglers Ruheplatz. Vor allem darf sich dieser Streit vor die Würdigung des gerade verstorbenen Künstlers schieben. Einzige Ausnahme wäre, wenn sich ein verbindliches Testament Schweglers fände, in dem ohne Einschränkungen festgelegt ist, dass der Künstler dort und nur dort beigesetzt werden will.

Auf der anderen Seite steht auf einmal das ganze Konzept der Künstlernekropole zur Disposition. Fritz Schwegler wäre der erste Künstler, der laut Satzung in der Nekropole beigesetzt werden müsste. Erfolgt seine Bestattung aber nicht in seinem dafür geschaffenen Monument, dann verliert dieses Monument seine Verbindlichkeit. Leicht könnte es passieren, dass nun auch andere Künstler ihre Zusage, in der Nekropole bestattet zu werden, in Frage stellen. Am Ende könnte aus dem Künstlerfriedhof ein bloßer Skulpturenpark zum Thema Tod werden.

Das heißt: Das Kuratorium muss rasch das Regelwerk überprüfen. Kann und soll man Künstler zwingen, sich an das ursprünglich gegebene Versprechen zu halten? Sollen die Nekropolenkünstler gebeten werden, entsprechende testamentarische Erklärungen abzugeben? Oder schätzt man die Würde der Betroffenen so hoch ein, dass man im Zweifelsfall auf die Bestattung in Kassel verzichtet? Das aber würde bedeuten, dass man sich damit zufrieden gibt, dass der/die eingeladene Künstler(in) zeitweise vorhatte, sich am Blauen See bestatten zu lassen. Das könnte natürlich zu Auflösungserscheinungen führen. Aber die wären eher zu ertragen als ein Rechtsstreit im Angesicht des Todes.

Ich selbst könnte gut damit leben, dass Schwegler in Breech begraben ist, sein so imposantes Monument aber in Kassel steht. Ich brauche keine Reliqien und nicht die Gewissheit, dass Schwegler in seinem Sarkophag tatsächlich ruht. Ich fühle mich ihm und seinem Werk auch so verbunden. Seine Inschrift „Weiszt du weil ich hier bin – und du bist auch hier“ gilt nun uneingeschränkt. Ja, am Blauen See treffe ich ihn und seinen grenzenlosen Erfindergeist.

16. 6. 2014

Sollten Sie dazu eine (andere) Meinung haben, wäre ich für eine Rückmeldung an schwarze.kassel@gmail.com dankbar.

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