Der Glanz der Handzeichnungen

Die documenta III mit vorsichtigen Blicken auf die Gegenwart

Arnold Bode liebte es, weit voraus zu blicken. So skizzierte er bereits im documenta-Jahr 1959, wie die Ausstellung vier Jahre später aussehen könnte. Nachdem er seinen Vorschlag, mit der II. documenta ins wiederaufgebaute Schloss Wilhelmshöhe zu ziehen, fallen lassen musste, weil das Schloss immer noch Ruine war, strebte er nun mit aller Macht an, die documenta III 1963 in Wilhelmshöhe zu präsentieren. Doch erneut lief den Planern die Zeit davon. Und als im Frühjahr 1962 noch immer über die Ausbaupläne von Wilhelmshöhe nachgedacht wurde, war klar, dass die documenta III ebenfalls im Fridericianum ihren Stammsitz haben werde.

Aber es waren nicht nur die Raum- und Baufragen, die dazu führten, dass erstmals von einer Krise der documenta die Rede war. Auch inhaltlich kamen die Verantwortlichen nur mühsam voran. Zwar hatte Bode schon frühzeitig den Arbeitstitel „Meisterwerke aus den letzten 50 Jahren“ verkündet, doch selbst 13 Monate vor dem Starttermin lief die Ausstellungsmaschine noch nicht. Erst im Juli 1962 bekannten sich die Verantwortlichen zu dem zeitlichen Rückstand und beschlossen die erste Verschiebung der documenta – auf 1964.

Der erneute Rückgriff auf die Meisterwerke der ersten Jahrhunderthälfte wurde der documenta III von vielen Kritikern übel genommen. Noch größerer Widerspruch wurde gegenüber dem Auswahlprinzip laut, das Werner Haftmann mit der Formel Kunst sei das, „was bedeutende Künstler machen“. Dies wurde als Flucht in die Subjektivität gedeutet.

Vielleicht wäre die documenta III untergegangen und wäre das Kapitel der großen internationalen Ausstellung in Kassel beendet worden, hätten nicht Werner Haftmann und Bode zusätzliche Abteilungen eingerichtet, die auf Tendenzen der Gegenwart verwiesen. Zur tragenden Säule der documenta III wurde die Abteilung Handzeichnungen, die einen unvergleichlichen Blick auf dieses intime Medium der Kunst seit Cézanne ermöglichte. Die rund 500 Blätter aus 80 Jahren, die in der heutigen Neuen Galerie (damals Alte Galerie genannt) gezeigt wurden. Waren nicht bloß ein Reigen aus Meisterwerken, sondern sie führten auch den Wandel der Kunst auf dem Weg von Vincent van Gogh zu Joseph Beuys vor.

Nicht weniger wichtig für den Erfolg der Ausstellung war, dass mit den Abteilungen „Aspekte 1964“ und „Licht und Bewegung“ die im Grunde historisch angelegte Schau zur Gegenwart hin geöffnet wurde. Die Besucher lernten Künstler wie Joseph Beuys, Peter Brüning und Konrad Klapheck als Vertreter der neuen Generation kennen; und obwohl die documenta III die Pop Art als Bewegung nicht berücksichtigt hatte, waren in der Ausstellung Pop-Künstler wie Jasper Johns, Allen Jones, Robert Rauschenberg und Larry Rivers vertreten. Als sensationell wurde die von Bode in Alleinverantwortung geschaffene Abteilung „Licht und Bewegung“ empfunden. In ihr wurden die kinetische Kunst und die Op Art gespiegelt.

Die documenta sah Bode stets im Spannungsfeld zum Museum. Sein 1964 geprägter Begriff vom „Museum der 100 Tage“, sollte den Experimentiergeist verdeutlichen. Beispielhaft führte er das in der Abteilung „Bild und Skulptur im Raum“ vor, in der er von Malern wie Sam Francis, Emilio Vedova, Ernst Wilhelm Nay und Bernard Schultze solche Arbeiten zeigte, die direkt in den Raum hineinwirkten.

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