Im Zeichen der Amerikaner

Die II. documenta gewinnt durch die Skulpturen vor der Orangerie-Ruine

Die II. documenta trug den Untertitel „Kunst nach 1945 – Internationale Ausstellung“. Doch ebensowenig, wie die documenta von 1955 nur die von den Nationalsozialisten verfemte Moderne von vor 1945 zeigte, ebensowenig beschränkte sich die Nachfolge-Ausstellung von 1959 nur auf die Nachkriegskunst. Dazu war die Verlockung, mit den großen Namen des 20. Jahrhunderts zu glänzen, zu groß, und dafür nach Meinung der Organisatoren die Basis der letzten 15 Jahre zu schmal. Deshalb schalteten Arnold Bode und Werner Haftmann vor die eigentliche Ausstellung zwei historische Abteilungen, in denen die Pioniere der Moderne präsentiert wurden: „Die Argumente der Kunst des XX. Jahrhunderts“ und „Die Lehrmeister der Kunst des XX. Jahrhunderts“. So kam es, dass Künstler wie Fernand Leger und Pablo Picasso doppelt in der II. documenta vertreten waren – als Kronzeugen der Moderne und als Zeitgenossen der Nachkriegsepoche.

Hatte die erste documenta unter allgemeinem Beifall die Kunst der Moderne in ihrem gesicherten Rahmen vorgestellt und dabei die Entwicklungslinien wagemutig, aber nicht provokativ in die Gegenwart verlängert, bezog die II. documenta im aktuellen Streit um den Standort der Gegenwartskunst parteilich Position. Werner Haftmann, der Theoretiker an der Seite des Praktikers Bode sah die ganze Kunstentwicklung auf die Abstraktion zulaufen: Im Katalog schrieb er: „… so mündeten all diese einzelnen Richtungen schließlich – und als ungefähres Stichjahr lässt sich 1950 annehmen – in der abstrakten Kunst.“ Wir wissen, dass diese Einschätzung falsch war. Die Abstraktion wurde nicht zur Weltsprache der modernen Kunst. Kein Wunder also, dass die II. documenta auch heftige Kritik einstecken musste.

Dass die II. documenta und damit Kassel als Ausstellungsort gleichwohl überzeugten, hatte das Unternehmen wesentlich der Tatsache zu verdanken, dass das Ausstellungsgelände um die Orangerie-Ruine erweitert wurde. Mit ihren torsohaften Wänden gab sie eine faszinierende Kulisse für die im Freien aufgestellten Skulpturen ab. Allerdings hatte es Bode verstanden, die Wirkung der Ruine dadurch zu mindern, dass er die Skulpturen vor geweißten Backsteinmauern präsentierte und die plastischen Arbeiten somit in dreidimensionale Bilder verwandelte.

Das zweite große Ereignis der documenta von 1959 war die Einbeziehung der Amerikaner. Nun war die documenta nicht länger eine auf Europa und das Abendland fixierte Kunstschau. Die großformatigen Gemälde von Jackson Pollock, Franz Kline und Robert Motherwell, um nur einige Namen zu nennen, dominierten die Malerei-Ausstellung und brachten das Raumkonzept in Bedrängnis. Das Besondere an dem Auftritt der Amerikaner war, dass deren Werke nicht von dem Ausschuss für Malerei und Skulptur, sondern von Porter McCray ausgesucht wurden, der am Museum of Modern Art in New York zuständig für Auslandsausstellungen war. Die Kasseler Organisatoren hatten diesen Weg gewählt, weil Zeit- und Kostengründe Reisen in die USA verboten und auch niemand mit der dortigen Szene vertraut war. Die Beauftragung von McCray hatte immer wieder Gerüchten Nahrung gegeben, die CIA habe ihre Hände im Spiel gehabt.

Die dritte Besonderheit war, dass neben Malerei und Skulptur zum ersten Mal Druckgrafik (im Palais Bellevue) ausgestellt wurde und dass es außerdem im Museum Fridericianum eine kleine Sonderschau mit Bildteppichen gab.

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