Zwischen Protest und Pop Art

Die 4. documenta im Banne der Aktualität und der verpassten Möglichkeiten

Zwar hatte die documenta III auf der Kippe gestanden, doch fortan war die Kasseler Ausstellung eine Institution – auch wenn in der Stadt bis in die frühen 80er-Jahre einige Akteure immer noch so taten, als wäre die jüngste documenta die letzte. Zur Stabilisierung hatte die Bereitschaft des Landes Hessen beigetragen, 1962 neben der Stadt Kassel als gleichberechtigter Gesellschafter in die documenta GmbH einzutreten.

Arnold Bode hatte seit längerem davon geträumt, dass die documenta zu einer dauerhaften Institution würde. Doch gerade in dem Unruhejahr 1968 hörte er den Begriff Institution ungern. Denn in den Augen der protestierenden Künstler und Studenten war alles verdächtig, was sich Institution nannte. Deshalb begann Arnold Bode sein Katalog-Vorwort mit den Sätzen: „Zum Establishment gehört auch diese documenta nicht – wie wir meinen. Was ihre Bedeutung ausmacht, ist wohl die Tatsache, dass die documenta nicht als etablierte Institution existiert!“

Bodes Versuch, den linken Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, schlug fehl. Die 4. documenta erschien den Künstlern und Galeristen, die für die neue kritische und aus der Fluxus-Bewegung entstandene Kunst standen, als gefällig und marktorientiert. So sprengten Künstler wie Wolf Vostell und Jörg Immendorff zusammen mit anderen die documenta-Pressekonferenz und so richteten Künstler und Galeristen, unter ihnen der spätere Kunsthallen-Leiter René Block, im Staatstheater eine kleine Gegendocumenta ein.

Plötzlich saß Bode zwischen allen Stühlen. Mit Hilfe des documenta-Rates und insbesondere Jean Leering hatte er Lehren aus der Kritik an der documenta III ziehen wollen und die Ausstellung des Jahres 1968 ganz auf die Gegenwart und Aktualität ausgerichtet Nur fehlten eben die kritischen Kräfte der Gegenwart. Auf der anderen Seite hatte er sich im Vorfeld der 4. documenta mit jenen auseinandersetzen müssen, die den Kurswechsel zur aktuellen Kunst nicht mit vollziehen wollten. Ein Jahr vor dem Start der Ausstellung verließen Werner Schmalenbach (später Direktor der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen) und der Maler Fritz Winter den documenta-Rat.

Die 4. documenta war trotzdem die erste Kasseler Ausstellung mit hohem Erlebniswert. Wesentlichen Anteil daran hatten die Maschinenobjekte, die sich drehten und bewegten, ein Spiegelkabinett, in dem die Besucher unter die Röcke schauen konnten, die plakative Kunst der Pop Art und Edward Kienholz´ schaurig-schönes Environment „Roxy’s“, in dem sich Besucher zwischen unheimlichen Puppenmenschen bewegten.

Ambiente und Environment waren die Zauberworte jener Jahre. Mit untrüglichem Gespür hatte Bode 1964 die Expansion des Bildes in den Raum sichtbar gemacht. Und nun stellten sich Künstler vor, die mit Hilfe von Objekten und Bildern Räume begehbar und erlebbar machten.

Bei aller Kritik trug die Ausstellung zur Popularisierung der documenta bei. Die Ausstellung lieb als das große Forum für die Pop Art und Minimal Art in Erinnerung. Außerdem hielt Christo die Kunstwelt wochenlang in Atem, weil man nicht wusste, ob er es schaffen würde, seinen 80 Meter langen Ballon (Das 5600 Kubikmeter Paket) über der Karlsaue in der Luft zum Stehen zu bringen. Im vierten Anlauf schaffte er es. Damit war die documenta erstmals zum Ereignisraum geworden.

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