Die Macht eines Umtriebigen

Arnold Bode – der Vater der documenta

Er war klein und rastlos. Für die Politiker muss Arnold Bode (1900 – 1977) ein Alptraum gewesen sein. Denn kaum hatten sie sich darauf eingelassen, einen seiner vielen Vorschläge aufzunehmen, formulierte er die nächsten Wünsche und Forderungen. Bis in sein Todesjahr blieb Arnold Bode jener Umtriebige, der niemals mit dem Erreichten zufrieden war: Mehr als die Hälfte seines Grußwortes im Katalog der documenta 6 widmete er nicht der aktuellen Ausstellung, sondern seinen Vorstellungen von einer documenta 7. Der Text endete mit dem Satz „Ja, ich träume, dass ich dann noch als Zuschauer dabei sein kann!“ Aber einen Tag nach Schluss der documenta 6 starb er am 3. Oktober 1977.

Ideen entwickeln und Pläne machen. Das war sein Lebensinhalt spätestens seit seiner Heimkehr aus Krieg und Gefangenschaft. Schon am 3. Mai 1946 setzte Bode auf die Tagesordnung der von ihm kurz zuvor mitbegründeten Hessischen Sezession unter Punkt 5 den Punkt „Internationale Ausstellung“. Damit was das erstmals angepeilt, was neun Jahre später in der documenta Gestalt gewinnen sollte.

Bode war von der Idee an eine solche internationale Kunstausstellung besessen. Nur ein Besessener konnte auch in einer Zeit, in der Kassel in Trümmern lag, überall Not herrschte und Deutschland in Besatzungszonen aufgeteilt war, von einer grenzüberschreitenden Ausstellung träumen. Gleichwohl führte Bode 1947 und 1948 eine umfangreiche Korrespondenz, in der er den Eindruck erweckte, eine Kunstausstellung mit amerikanischer, englischer, französischer, schweizerischer und deutscher Beteiligung sei innerhalb weniger Monate realisierbar. Natürlich wurde nichts daraus. Doch woher nahm er die Zuversicht, in Kassel eine internationale Kunstschau arrangieren zu können? Dreimal hatte er als junger Künstler an der Planung von Ausstellungen mitgewirkt, die bis nach Berlin und München Beachtung fanden. Und 1929 gar war er für die Auswahl der deutschen Künstler-Elite für die Orangerie-Ausstellung mitverantwortlich. In ihr war bereits der Kern der deutschen Avantgarde-Kunst zu sehen, die auch ein Fundament der ersten documenta bildeten. Kein Wunder also, dass Bode wie elektrisiert reagierte, als sein Werkakademie-Kollege Prof. Hermann Mattern den Gedanken entwickelte, die für 1955 in Kassel geplante Bundesgartenschau mit einer Kunstausstellung zu verbinden.

Arnold Bode hatte viele Mitstreiter. Sein Kasseler Freundeskreis hatte die Gesellschaft „Abendländische Kunst des 20. Jahrhunderts“ gegründet, die Trägerin der ersten documenta werden sollte. Und in dem Kunsthistoriker Werner Haftmann fand Bode für die Ausstellungen der Jahre 1955, 1959 und 1964 einen Weggefährten, der die Konzepte theoretisch untermauerte und wesentlich zur Qualitätssicherung beitrug. Gleichwohl prägte Bode am stärksten die documenta. Doch ihn betrübte, dass er zwei Pläne nicht umsetzen konnte: Die „documenta urbana“ gab es erst fünf Jahre nach seinem Tod und anders, als er gedacht hatte; und eine documenta im Oktogonschloss unter dem Herkules hat es bis heute nicht gegeben.

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