Rudi Fuchs blies 1982 zum Rückzug ins Museum und musste dennoch die Stadt erobern
Zweimal hatte Joseph Beuys die Öffentlichkeit damit überrascht, dass er sich in das Museum Fridericianum zurückzog, um mit den Besuchern zu diskutieren. 1972 hatte er das „Büro für direkte Demokratie durch Volksabstimmung“ eingerichtet, um 100 Tage lang über eine neue Kreativität und die Veränderung der Gesellschaft zu sprechen. Fünf Jahre später richtete er in der Rotunde sein Modell einer Freien Universität ein, um die Gesprächsbasis zu erweitern. Um den Kreislauf der Ideen zu symbolisieren, hatte er im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Gesprächsraum seine „Honigpumpe am Arbeitsplatz“ eingerichtet.
1982 war er wiederum zur documenta eingeladen. Joseph Beuys war für Rudi Fuchs eine seiner Leitfiguren oder, wie der Holländer sagte, einer seiner Helden. Fuchs hatte für diese documenta zum Rückzug ins Museum geblasen. Der klassizistische Bau mit seinen klaren weißen Wänden sollte der Ermöglichungsraum für die Kunst sein. Doch Beuys widersetzte sich dem. Schließlich hatte er mit anderen lange genug im Museum nachgedacht und diskutiert. Nun wollte er in die Stadt, um sie zu erobern und zu verändern. Für Kassel hatte er zur documenta 7 sein Projekt „7000 Eichen“ entwickelt. Im gesamten Stadtgebiet sollten 7000 Bäume gepflanzt werden. Und jeder Baum sollte als Begleiter und Zeichen eine Basaltsäule erhalten.
Wieder gab es Unverständnis und Empörung. Vor allem regten sich viele Bürger darüber auf, dass für mehrere Jahre ein Keil aus Basaltblöcken auf dem Friedrichsplatz lag. Denn zur Idee von Beuys gehörte, dass man am Abschmelzen des Steinkeils ablesen sollte, wie weit die Pflanzaktion gediehen war. Außerdem war die Bereitschaft der Öffentlichkeit, in der Pflanzaktion ein Kunstwerk zu sehen, nicht sehr ausgeprägt. Anfangs hatte Beuys nicht bedacht, wie schwer es war, die notwendigen 3,5 Millionen Mark für die Aktion zusammenzubringen und wie lange eine solche Pflanzaktion dauert. Sie wurde erst zur Eröffnung der documenta 8 abgeschlossen – ein Jahr nach dem Tod von Beuys.
Zu den Helden, auf die sich Fuchs bezog, gehörten Maler wie Georg Baselitz, H.D. Hödicke, Markus Lüppertz, Jörg Immendorff, Anselm Kiefer und A.R. Penck. Sie alle hatten lange gebraucht, bis sie sich im Kunstbetrieb mit ihrer neuen figürlich-expressiven Malerei gegenüber den Abstrakten und Minimalisten durchsetzen konnten. Doch Ende der 70er-Jahre trug ihre Arbeit Früchte. In Berlin, Hamburg, Köln und anderswo meldete sich eine neue Künstlergeneration zu Wort, von denen viele zwar konzeptuell arbeiteten, die sich aber deutlich in der Nachfolge der genannten Maler bewegten. Malerei hatte plötzlich Konjunktur, und im Handumdrehen eroberten die „Neuen Wilden“, wie sie genannt wurden, die Ausstellungshäuser. Um die neue Malerei zu Beginn der 80er-Jahre wurde heftig gestritten. Aber Rudi Fuchs und sein Team nahmen eindeutig Stellung, indem sie diesen Malern die Tore weit öffneten. Die documenta 7 wurde zu einem großen Fest der Malerei. Es war in der Nach-Bode-Ära die größte Manifestation der Malerei.
Es war zugleich die erste documenta, die nach außen konfliktfrei über die Bühne ging, und die erste Kasseler Ausstellung, in deren Vorfeld lange Zeit das Ausstellungsprogramm und die Künstlerliste unter Verschluss gehalten wurde. Auch in anderer Hinsicht bescherte die documenta 7 eine Premiere. Denn erstmals wurden mit Sondermitteln der Stadt Kassel und des Landes Hessen Kunstwerke aus der Ausstellung angekauft.