Zum zweiten Mal musste Manfred Schneckenburger die documenta retten
Es gehört zu den kuriosen Widersprüchen der documenta-Geschichte, dass der Kurator, der in der Kunstszene keinen besonderen Rückhalt hatte, ein zweites Mal einspringen musste, um die documenta zu retten: Manfred Schneckenburger hatte sich nach der documenta 6 viele Unfreundlichkeiten anhören müssen, obwohl seine Ausstellung eine Reihe bemerkenswerter Abteilungen barg. Beigetragen zu dem schlechten Image hatten das organisatorische Chaos rund um die Eröffnung im Jahre 1977 sowie die heftige Kritik an der Malerei.
Den documenta-Leiter des Jahres 1987 hatte man mit Hilfe einer 30-köpfigen Findungskommission berufen wollen. Doch diese Kommission litt darunter, dass in ihr rund zehn Ausstellungsleiter saßen, die meinten, sie selbst könnten die nächste documenta auf die Beine stellen. So wunderte es nicht, dass man sich auf einen Kompromisskandidaten einigte, der für Qualität stand, aber als ein grundsolider Konservativer galt: Der Amsterdamer Direktor des Stedelijk Musems, Edy de Wilde, der kurz vor der Pensionierung stand, sollte es richten. Welch ungutes Gefühl Findungskommission und Aufsichtsrat bei dieser Entscheidung hatten, ist daran abzulesen, dass de Wilde im Juni 1983 verpflichtet wurde, aus seinen Mitbewerbern ein Leitungsteam zu bilden. Als sich de Wilde für Harald Szeemann entschied, schien alles auf einem guten Weg zu sein. Doch schon Ende 1984 gab das Führungsduo auf.
Wieder einmal stand der Aufsichtsrat vor einem Scherbenhaufen. Und wieder einmal entschied sich ein rasch gebildetes Auswahlgremium für Manfred Schneckenburger als Nothelfer. Die documenta 8 bot ein schillerndes Panorama, in dem viel Widersprüchliches Platz hatte. Die Ausstellung setzte einige Zeichen. Sie wurde zu dem wohl wichtigsten Forum für die Performance. Ebenso wegweisend war sie bei der Fortentwicklung der Video-Installationen sowie im Grenzbereich von Skulptur, Architektur und Design. Da spürte man den Geist der Postmoderne, die sich im Formenvorrat der Kunstgeschichte bediente und mit den Elementen spielte. Dabei gelang Schneckenburger partiell das, was Arnold Bode immer angestrebt hatte – die Kunst mit der Architektur in einer Ausstellung zu verbinden. Die Architektur-Skulpturen von Thomas Schütte und Heinrich Brummack standen ebenso dafür wie die Modelle zum idealen Museum, um die Schneckenburger Architekten gebeten hatte.
Die documenta 8 vereinigte eine große Zahl herausragender Arbeiten. Da hatte Gerhard Richter einen eigenen Raum erhalten, in dem er die gegensätzlichen und doch miteinander verwobenen Positionen seiner Malerei vorführen konnte. Stark waren auch die Auftritte von Anselm Kiefer und Gerhard Merz. Ihren eigenwilligen Charakter verdankte die Ausstellung den politisch-kritischen Arbeiten. Wenn man davon ausgeht, dass der Eingangsbereich im Museum Fridericianum spätestens seit der documenta 7 ein programmatisches Bekenntnis der Ausstellungsleitung birgt, dann wurde der Beitrag von Hans Haacke zum heimlichen Motto der documenta 8: Der in New York lebende Haacke hatte im Erdgeschoss der Rotunde einen Raum geschaffen, der wie die Eingangshalle einer Konzernzentrale wirkte. Dezente Tafeln waren aufgestellt und kleine Bäumchen. In der Mitte leuchtete eine Skulptur, die aus den Werbezeichen von Deutscher Bank und Mercedes aufgebaut war. Was da so repräsentativ und vornehm zu betrachten war, enthielt eine scharfe Anklage. Denn beide Unternehmen hatten sich dem Boykottaufruf gegen das Apartheid-Regime der Rassentrennung in Südafrika widersetzt. Das Großfoto von der Beisetzung eines Apartheid-Opfers, das in dem Logo der Deutschen Bank zu sehen war, stellte die Verbindung her.