Werke derdocumenta

Die Neue Galerie in Kassel, erst 1969 als ein Museum für die Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts begründet, wächst allmählich, aber sicher zu einem documenta-Museum heran. Während in früheren Jahren eher zufällig Werke von documentaKünstlern in die Sammlung kamen und dies häufig nur über Leihgaben erfolgen konnte, wird seit der documenta 7 (1982) systematisch angekauft. Vor fünf Jahren stellten die Stadt Kassel und das Land Hessen 300 000 Mark dafür bereit, in diesem Jahr waren es nun 400 000 Mark. Die Neuerwerbungen aus der documenta 8 werden jetzt (Eröffnung am morgigen Sonntag um 10.30 Uhr) drei Monate lang in der Eingangshalle des Museums gezeigt.

Die Ausstellung überrascht, weil sie ganz anders ausschaut, als die vergleichbare Präsentation vor fünf Jahren. Während damals die Malerei den Schwerpunkt bildete, sind nun in erster Linie Zeichnungen und Modelle zu den Skulpturen zu sehen. Dafür gibt es gleich mehrere Gründe: Die Malerei spielte diesmal auf der documenta eine untergeordnete Rolle; darüber hinaus waren die ausgewählten Bilder meist großformatig und teuer. Andererseits nahmen die Skulpturen, insbesondere im Außenbereich, einen hervorragenden Platz ein. Die Neue Galerie setzte mithin ein Zeichen: In Übereinstimmung mit den Geldgebern konnte sie durchsetzen, daß documenta-Ankäufe nicht ausschließlich direkte Erwerbungen aus einer documenta sein müssen, sondern auch andere Werke von documenta-Künstlern sein können.

Museumsleiterin Marianne Heinz will auf diese Weise erreichen, daß sich die Ankäufe in die gewachsene Sammlung einpassen lassen und daß sie nicht nur unterschiedliche Einzelstücke nebeneinander hängen muß. Ein risikofreudiger Weg, der auch das Wagnis einschließt, daß die Erinnerungen an die jeweilige documenta korregiert werden. Die diesmal getroffene Auswahl kann allerdings überzeugen. Und sie beschwört auch ein sehr treffendes Bild der documenta 8. Den Mittelpunkt bilden dabei sieben große Modelle. Von Heinrich Brummack sieht man eine Folge von vier Zeltmodellen, von denen zwei Vorbilder für die vielbeachteten Palastzelte auf der Karlsaue wurden. Gegenüber stehen drei ebenso exzellente Modellbauten von Tadashi Kawamata, Wolfgang Luy und Klaus Kumrow. Alle drei Arbeiten faszinieren, doch vor allem Kawamatas Einrüstung der Garnisonskirche wirkt hier brillant. Ein weiterer Höhepunkt ist eine Original-Plastik – eine liegende Figur (mit angezogenen Knien) von Antony Gormley.

Ein anderes Prunkstück aber hat mit dieser documenta nichts zu tun und hat dennoch einen doppelten documenta-Bezug: ein Porträt von Arnold Bode, das der Maler Gerhard Richter 1964 schuf. Den anderen Teil der Neuerwerbungen bilden Studien, die im Vor- und Umfeld der documenta entstanden. Man sieht Blätter von Richard Serra, Ulrich Rückriem, Thomas Schütte, Hamilton Finlay, Micha Ullman und Michael Witlatschil, von dem auch ein Modell seiner Balance-Skulptur angekauft würde. Außerdem wird ein Koffer
der Performance City-Souvenir sowie eine Arbeit von Thomas Virnich ausgestellt. Die Zeichnungen werden nach der Ausstellung in der Grafischen Sammlung verschwinden. Umso wichtiger ist nun, dass die Neue Galerie einen Raum für die documenta-Modelle einrichtet.

HNA 7. 11. 1987

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