An der Schnittstelle der Medien

Manche arbeiten ihr halbes Leben darauf hin, einen Lehrstuhl an einer Hochschule zu erhalten. Wenige werden vom Ruf einer Hochschule kalt erwischt. Joel Baumann gehört zu den Glücklichen, die das Angebot unerwartet traf.
Als Diplomatensohn wuchs Baumann mehr im Ausland als in seiner Heimat auf. In England studierte er Neue Medien und dort fand er bei der internationalen Medienagentur ..Tomato“ den beruflichen Einstieg in die Welt der bewegten Bilder am Computer. Das Londoner Büro wurde gerade leer geräumt, weil Baumann mit anderen nach München übersiedeln wollte, als kurz vor dem Abschalten über das Fax die Anfrage aus Kassel einlief, ob Baumann sich nicht um die neu geschaffene Professur für Neue Medien bewerben wolle.
Da der Experte für Internet-Seiten und Computer-Animation die deutsche Hochschullandschaft kaum kannte, sagte ihm das Angebot nicht viel. So nahm er, wie er heute gesteht, anfangs seine Bewerbung nicht so ernst, bis er merkte, dass er unter den Kandidaten auf Platz 1 gelandet war. Gemeinsam mit seinen Kollegen Björn Melhus und Hendrik Dorgathen sorgt Baumann dafür, dass an der Kunsthochschule die Neuen Medien, die bisher nur am Rande vorkamen, gut und anspruchsvoll vertreten sind.
Baumann selbst hat schon durch 13 „Tomato“-Workshops intensive Lehrerfahrungen gesammelt. Zu Beginn seiner Arbeit in Kassel organisierte er drei Drei-Tage-Workshops in Kassel, in den USA und Japan. Ziel ist es, die von den Studenten an den drei Orten erarbeiteten Homepages zusammenzuführen und im Internet, in einer Ausstellung oder in einem Buch zu publizieren.
Baumann, der selbst auch Internet-Seiten, CD-Roms und Bücher verfasst und gestaltet hat, versteht sich als jemand, der an der Schnittstelle der Medien arbeitet. Ihm geht es darum, den Studenten zu zeigen, wie man effektiv und schnell das herkömmliche Bild auf die digitalen Ebenen übertragen und es dort beleben und verändern kann. In der Ausstellung „Monitoring“ stellte sich Baumann mit zwei rechnergesteuerten Videos vor. In dem einen konnte man durch laute Geräusche die durch Wasser gelenkte Lichtprojektion verändern, in der anderen forderte er mit einem Türspion, hinter dem sich eine Kamera verbarg, den Spieltrieb der Betrachter heraus. Joel Baumann versteht sich selbst nicht als Künstler, auch wenn das Ergebnis künstlerische Qualität hat. Er hat erst einmal Freude an der unorthodoxen Gestaltung und daran, die anderen in seine Arbeit hineinzuziehen.
1. 12. 2003

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