Zurück in stillere Zeiten

19. Internationaler Kunstmarkt in Köln

Die Kölner Galerie Werner, die seit Jahren die Väter der Neuen Malerei, Baselitz, Immendorff, Lüpertz und Penck, vertritt, läßt in diesem Jahr auf dem 19. Internationalen Kunstmarkt in den Kölner Messehallen die Malerei ganz zurücktreten. Sie zeigt nur schwarze Kreidezeichnungen und strenge dreifarbige Ojekte des Bildhauers Hans Uhlmann. Es handelt sich ausschließlich um Arbeiten aus den 60er Jahren. Ebenfalls auf die 60er Jahre greift die Hamburger Galerie von Loeper zurück, indem sie ihren Kunstmarktstand von den Licht- und Klangobjekten Klaus Geldmachers erobern läßt. Um seine verspielt aufgeregte Kunst war es sehr still geworden. Er hat in der Zwischenzeit weiter daran gearbeit, ist malerischer und auch spröder geworden. Dennoch wirkt das massive Wiederauftauchen dieser Arbeiten überraschend.
Sind das Zufälle oder steckt dahinter eine Trendwende? Für Jörg Immendorff ist das Vorgehen der Galerie Werner ganz natürlich: „Jeder weiß, wo er das Zeug von uns haben kann.“ Da brauche es auch nicht auf dem teuren Messestand ausgestellt zu werden. Doch das ist nur die eine Seite. Die andere ist die, daß sich gleich mehrere Galeristen auf einmal wieder der Kunst der 50er und 60er Jahre entsinnen und sie zu einer Art zweiter klassischer Moderne hochstilisieren. Und da es auf dem Künstmarkt immer Galerien gab; die den Konstruktivisten, den ZeroKünstlern und „Weiß“-Malern die Treue hielten, erscheint der Schwenk zur stilleren, farbloseren Kunst so stark. Die Besu
cher und Kritiker, die daraus einen Abgesang auf die Neue Malerei und die Rückkehr zu mehr Qualität ablesen wollen, verraten im Grunde nur ihr fortgesetztes Unbehagen an der Explosion der Malerei in den vergangenen sechs Jahren. Jetzt haben sie wieder verstärkt die Möglichkeit zur Flucht in die Vergangenheit.
Die zweite Überraschung der Art Cologne ist, daß kaum eine der 165 Galerien auschließlich Bilder präsentiert. Fast alle zeigen auch Plastiken, wobei die farbigen Skulpturen besonders auffallen. Seit zwei, drei Jahren ist die Tendenz zu beobachten, daß junge Künstler im Zwischenbereich von Malerei und Plastik ein ungenutztes Entwicklungsfeld entdecken. Aus Pappe und Holz werden Winkel, Ecken, Körper sowie Häuser und Brücken gebaut. Aus dem utopischen Design hat sich eine Art Modellbau entwickelt, der im Falle von Klaus Jung (Galerie Fischer) pedantischnostalgische Formen annimmt.
Daneben trifft man auf eine Vielzahl spannender und auch sehr unterschiedlicher Arbeiten: Magdalena Jetelova baute aus Holzbohlen einen Riesenstuhl (Galerie Storms); Manfred Müller formt aus zum Teil farbigen Holzstäben Säulen und Kanzeln, die er zusammen mit Schalen, die mit Farbpulver gefüllt sind, in der Weise installiert, daß daraus ein Monument der gestürzten Werte und Traditionen wird (Galerie Jöllenbeck); noch näher bei der Malerei bleibt Mechthild Nemeczek (Galerie Andre), die in einer Papier-Säule mit kegelförmigen Vertiefungen Innen und Außen
zusammenführt und so zwei Farben ins Wechselspiel bringt. Auch die Töne der Neuen Malerei wirken gedämpfter: Georg Jiri Dokoupil beispielsweise, der es wie Gerhard Richter liebt, mit den Extremen der Malerei zu spielen, stellt seine „Grünspanserie“ vor – einfarbige Bilder (Galerie Maenz); von Hubert Schmalix sieht man kleinformatige Akte mit geschlossenen Formen und Farbflächen (Galerie Krinziger).
Von der Rücknahme zur Umkehrung der Farbe ist es kein großer Schritt. Kazuo Katase läßt ihn in einer schlichten Arbeit („Nachtfahnen“) sichtbar werden: Rechts und links von einer schwarzen Fahne stehen die sowjetische und amerikanische Fahne in ihren farblichen Umkehrungen (blau und blaugelb); zwei ergänzende Fotos doppeln die Umkehrung auf ihre Weise (Galerie March).
Der Blick wird freier für die von sich aus stilleren Bilder: Christa Nähers eindringliche Malerei in Schwarz (Hundebilder, Galerie Kohnen), Peter Mells fast ebenso dunkle, faszinierende Bleistiftzeichnung eines Raumes mit einer Spielzeugeisenbahn und einer gestürzten Säule (Galerie Zimmer), Helmut Schobers Malerei um Figur, Bewegung und Licht im dunklen Raum (Galerie Hajo Müller), Thomas Hubers surrealistische Bleistiftzeichnungen auf Sperrholz (Galerie Magers), Michael Schreibers torsohafte Körperund Raumkompositionen (Galerie Kurze) oder Rolf Eschers faszinierende Serie italienischer Schauplätze (Galerie Redies).
15. 11. 1985

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