Gesetz der Serie durchbrochen

Als Arnold Bode 1955 seine erste documenta realisierte, war er so alt wie das Jahrhundert, gehörte also der Väter-Generation an. Zur letzten documenta, die unter seiner Regie stand, war er 68 Jahre alt, also schon im Pensionsalter.
Nur ein anderer documenta-Leiter, der Belgier Jan Hoet, war ähnlich alt wie Arnold Bode, als er 1992 in Kassel Regie führte – nämlich 53 Jahre.
Alle anderen künstlerischen Leiter waren um die 40, als sie die documenta leiteteten. Rückblickend wirkt das wie ein Gesetz der Serie. Und es spricht vieles dafür, dass die 40-Jährigen das richtige Alter haben – sie sind noch der nachwachsenden Generation verbunden, haben aber auch schon erste Erfahrungen gesammelt.

Der Schweizer Harald Szeemann (documenta 5) war 39.

Ebenfalls 39 war Manfred Schneckenburger als er 1977 die documenta 6 leitete.

Genau 40 wurde der Holländer Rudi Fuchs 1982, als er die documenta 7 verantwortete.

Fast wäre 1987 das Gesetz der Serie durchbrochen worden, denn die erste Wahl fiel auf den Holländer Edi de Wilde, der gerade das Pensionsalter erreicht hatte. Da de Wilde und Harald Szeemann, die ein Team bilden solten, aber die Brocken hinwarfen, musste Manfred Schneckenburger ein zweites Mal den Nothelfer bilden. Er wurde 1987 49 Jahre alt.

1992 folgte dann der 53-jährige Jan Hoet.

Zehn Jahre jünger, nämlich 43, war die Französin Catherine David, als sie die documenta X verantwortete.

Wie Szeemann und Schneckenburger (beim ersten Mal) war der Chef der documenta 11, der Afroamerikaner Okwui Enwezor.

Roger Buergel hatte die 45 erreicht, als er 2007 an der Spitze der documenta 12 stand.

Bei der Vorbereitung der documenta 13 wurde erneut das Gesetz der Serie durchbrochen: Mit der in Italien lebenden Amerikanerin Carolyn Christov-Bakargiev wurde eine künstlerische Leiterin berufen, die im Jahre ihrer documenta (2012) 54 Jahre alt sein wird – ein Jahr jünger als Arnold Bode bei seiner ersten documenta und ein Jahr älter als Jan Hoet zur documenta IX.

Wie sehr sich in der Geschlechterfrage die Verhältnisse in der Kunstszene geändert haben, wird an der gerade abgeschlossenen Berufungsrunde ablesbar: Während bei Catherine David die Berufung einer Frau noch als ein Experiment und Vorstoß zu Gunsten der Frauen verstanden wurde, spielte dieses Mal die Geschlechterfrage keine Rolle: In die Runde der letzten sechs waren drei Frauen und drei Männer gekommen. Und als es darum ging, unter den letzten drei eine Entscheidung zu fällen, waren die Frauen unter sich.

2. 12./11. 12. 2008

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