Gute Aussichten für 2012

Sie ist offen und selbstbewusst, sie geht bereitwillig auf Fragen ein, antwortet spontan und ist bereit, sich selbst zu korrigieren, wenn sie merkt, dass die Dinge doch etwas anders liegen, als sie im ersten Moment sagte. Carolyn Christov-Bakargiev (51) bringt als Leiterin der documenta 13 (2012) die beste Voraussetzungen für eine gute Kommunikation bei der Ausstellungsplanung mit: „Ich denke gern positiv“. Von Vermittlung hält sie viel, und in dem Sinne findet sie die von Roger Buergel 2007 geleistete Vermittlungs-Programm für beispielhaft. Allerdings will sie in diesem Zusammenhang den englischen Begriff education nicht gelten lassen. Da ist die die in Italien lebende Amerikanerin zu feinfühlig im Sprachgebrauch: education, so sagt sie im Gespräch, da stecken Wörter wie ducare und Duce drin – damit möchte sie nichts zu tun haben.

Carolyn Christov-Bakargiev 1 Carolyn Christov-Bakargiev 2 Carolyn Christov-Bakargiev 3Carolyn Christov-Bakargiev ist nach Catherine David, die 1997 die documenta X leitete, die zweite Frau an der documenta-Spitze. Dass die Wahl nichts mit einer Frauenquote zu tun hat, verdeutlichte Kasper König (Museum Ludwig, Köln) als Sprecher der Findungskommission bei der Vorstellung der documenta-Leiterin: In der Endrunde der Beratungen befanden sich von den sechs Kandidaten ausschließlich die drei Frauen in der engsten Auswahl.

Es spricht viel dafür, dass Carolyn Christov-Bakargiev im Umgang mit der Öffentlichkeit nicht solche Fehler unterlaufen werden, wie sie Catherine David machte. Auch ihre unvergleichliche internationale Erfahrung schützt sie davor. Gleichwohl bewundert sie Catherine David, weil sie die radikale Auseinandersetzung mit der Avantgarde suchte und weil sie die Intellektualität in die documenta zurückbrachte. Allerdings teilt sie nicht die Meinung, dass mit Davids Ausstellung ein Bruch und ein Neubeginn in der documenta-Geschichte erfolgten. Überhaupt tut sie sich schwer darin, die einzelnen Ausstellungen und die dahinter stehenden Konzepte gegeneinander abzuwägen. Nicht eine globale Ausstellung sage ihr zu, sondern einzelne künstlerische Werke. Als Beispiele führt sie die Stuhlkreise von Ai Weiwei und die wie Antriebselemente geformte Naturobjekte von Simryn Gill (2007) und die Bildertische von Andreas Siekmann (2002) an. Deshalb nennt sie auch nur die Namen der documenta-Gründungsväter Arnold Bode und Werner Haftmann als Vorbilder für ihre Arbeit.

War die documenta, die sie seit 1987 kennt, für sie ein Maßstab, als sie für dieses Jahr die Biennale in Sydney plante? Nein, nicht direkt. Aber dann kommt ihr Grundbekenntnis: Für jeden in der Kunstszene ist die documenta rund um die Welt ein Maßstab.

Carloyn Christov-Bakargiev fühlt sich als Partnerin der Künstler, als deren Helferin. Das hat einen guten Grund. Nach ihrem Literatur- und Kunstgeschichtsstudium in Pisa begann sie, für Zeitungen über Kunstausstellungen zu schreiben.Doch dieser distanzierte Blick von außen behagte ihr nicht. Sie wollte näher ran an die Kunstwerke und deren Schöpfer. Deshalb verlegte sie sich auf Künstlergespräche und Interviews. Und durch die Aufforderung der Künstler wurde sie zur Ausstellungsmacherin. Ihre ersten Schritte tat sie auf diesem Feld in Rom, wo sie mit Künstlern wie Dan Graham, Mario Merz, Rodney Graham und Sol Lewitt zusammenarbeitete.

In ihren Ausstellungen in Rom und Sydney hat Carolyn Christov-Bakatgiev gezeigt, dass sie nicht nur souverän mit einer stattlichen Zahl internationaler Künstler umgehen kann, sondern dass sie auch ein Gesprür dafür hat, neue Räume und Plätze innerhalb und außerhalb der Stadt zu entdecken. In Sydney etwa bezog sie eine Insel mit ein, die als Gefängnisinsel in Verruf und Vergessenheit geraten war. Das verheißt Vielversprechendes für die nächste documenta. Sie wird die Stadt neu erobern.

Liest man die Liste der Künstler, mit denen sie gearbeitet hat, dann wird ein Spektrum sichtbar, das alle wichtigen Strömungen seit den 60er-Jahren enthält: Alberto Burri und die Repräsentanten der Arte Povera wie Mario Merz und Jannis Kounellis, Giovanni Anselmo, Janet Cardiff und William Kentridge, Takashi Murakami und Doris Saceldo, Georges Adéagbo und Carla Arcadi. Sie ist der klassischen Avantgarde verpflichtet und offen für die neuen Kräfte der Kunst, die auch aus Asien kommen. Allerdings sieht sie die neuen Quellen eher in den nicht so boomenden Ländern als in Indien und China zum Beispiel.

Carloyn Christov-Bakargiev versteht sich selbst als Weltbürgerin. Aber sehr stark ist ihre italienische Natur. Immerhin lebt und arbeitet sie seit rund 30 Jahren in Italien, wohin ihr bulgarischer Vater 1946 kam. Ihre Mutter ist Italienerin. Die Eltern gingen in die USA, wo Carolyn Christov-Bakargiev in New Jersey geboren wurde. In Turin leitet sie seit 2002 das Castello die Rivoli Museum für zeitgenössische Kunst. Sie will ihre Aufgabe in Turin erst dann beenden, wenn Ihre Nachfolge dort geregelt ist und sie auch die familiäre Zukunft (sie ist verheiratet und hat zwei Töchter – Lucia und Rose) geklärt hat.

4. 12. 2008

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