Das erste dOCUMENTA (13)-Werk

Das hat es in der Geschichte der documenta noch nicht geggeben, dass das erste Kunstwerk einer Ausstellung bereits zwei Jahre vor Beginn der Ausstellung installiert und öffentlich vorgestellt werden soll. Damit entwickelt die Leiterin der dOCUMENTA (13), Carolyn Christov-Bakargiev, eine völlig neue Dramaturgie, und man kann sich vorstellen, dass noch weitere Kostproben vor dem 9. Juni 2012 serviert werden.

Penones dOCUMENTA (13)-Werk Penone in Rotterdam

Den Anfang macht Giuseppe Penone mit seiner Arbeit „Idee di Pietra“ (Ansichten eines Steins, Bronze und Stein, 2004/2010) am 21. Juni 2010 um 12 Uhr mittags. Dann wird seine Arbeit offiziell eingeweiht. Penone, der bereits 1972, 1982 und 1987 an der documenta mit poetischen Arbeiten teilgenommen hatte, wird in der Nähe der Orangerie im Auepark einen etwa neun Meter hohen kahlen Bronzebaum in die Erde setzen (lassen), in dessen oberen Ästen ein mächtiger Stein liegt. Neben diesem rätselhaften Denkmal eines Baumes wird ein kleiner wirklicher Baum wachsen. Nach Darstellung von Carolyn Christov-Bakargiev werden sich in dieser Skulptur Natur und Kultur verbinden. Gleichzeitig verschmelzen Realität und Fiktion, denn das Schwere (der Stein) hat sich überwunden; der Stein scheint geflogen oder vom Himmel gefallen zu sein.

Was allerdings etwas bedenklich stimmt, ist die Tatsache, dass die Arbeit bereits 2008 in der von Carolyn Christov-Bakargiev geleiteten Sydney-Biennale zu sehen war und dort in den Königlichen Botanischen Gärten gestanden hat. Im Sinne der documenta, die ja mehr sein will als nur eine von vielen Biennalen, kann man nur wünschen, dass nicht noch weitere Arbeiten aus der Sydney-Biennale übernommen werden.

Als Eröffnungstermin hat die dOCUMENTA (13)-Leiterin den Tag der Sommersonnenwende gewählt. Die Arbeit des 1947 geborenen Italieniers soll auch ein Versprechen sein, dass die neue Ausstellung heranwächst.

Mit der Ankündigung des ersten Werkes verbinden sich zwei Botschaften. Die eine bedeutet, dass für Carolyn Christov-Bakargiev die Künstler der Arte povera, die sich in den 60er-Jahren in Italien entwickelte und über die die documenta-Leiterin ein grundlegendes Werk verfasst hat, mit die Basis für die dOCUMENTA (13) bilden. Und die zweite verheißt, dass 2012 auch der Außenraum eine besondere Rolle spielen wird.

Giuseppe Penone beschäftigt sich regelmäßig mit dem Wechselverhältnis von Kultur und Natur und der möglichen Transformation der Dinge auf eine andere Ebene. Im Jahre 1987 war Penone ebenfalls mit einer in die Natur weisenden Arbeit in der documenta vertreten. In einem Saal des Fridericianums hatte er tönerne Blumentöpfe, mit Erde gefüllt, dicht gedrängt zusammengestellt. Aus vier dieser Töpfe wuchsen Pflanzen, die jeweils eine zarte, zerbrechlich wirkende menschliche Bronzefigur umrankten.

Penone hat sich verschiedentlich in seinen Arbeiten mit Bäumen auseinandergesetzt und dabei, wie das Farbfoto aus Rotterdam dokumentiert, mit den Naturgesetzen gespielt. In diesem Fall erweckt die Bronze-Arbeit den Eindruck, als sei der Baum samt seiner Wurzeln so weit aus dem Boden gezogen wurde, dass er nun auf den Wurzeln zu schweben scheint.

27. 5. 2010

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