Bis zur Eröffnung der dOCUMENTA (13) vergehen noch knapp zwei Jahre. Doch im Moment häufen sich die Aktivitäten dermaßen, dass man das Gefühl hat, noch in diesem Monat würde die Ausstellung eröffnet. Dabei werden nicht nur erste Künstlernamen genannt, sondern es werden auch erste Beiträge zu der documenta des Jahres 2012 sichtbar:
In ihren Hinweisen auf Vorträge, die documenta-Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev weltweit hält, legt sie Spuren, die zu Künstlern und Kunstprojekten führen, die mit der dOCUMENTA (13) etwas zu tun haben könnten (Boetti, Alys, Torres und das One Hotel).
Am kommenden Montag (21. Juni) wird in der Karlsaue eine Baumskulptur von Giuseppe Penone „Idee die Pietra“ (Ansichten eines Steins, Bronze und Stein) errichtet und als erste offizielle documenta-Arbeit eingeweiht.
Und nun teilt die Pressestelle mit, dass ab sofort bis zum Start der dOCUMENTA (13) die internationale Künstlerinitiative „AND AND AND“ mit einzelnen Personen, Gruppen und Initiativen Diskussionen und Veranstaltungen plant, um die Beziehungen von Kunst und Gesellschaft zu untersuchen.
Diese Künstlerinitiative hat sich offenbar im Hinblick auf die kommende documenta gegründet. Bei ihrem ersten Event am 24. Juni arbeitet die Initiative mit der New Yorker Künstlergruppe „16 Beaver“ zusammen, die sich als Plattform für künstlerische, soziale und politische Projekte versteht. Auf Einladung von „And And And“ organisiert „16 Beaver“ am 24. Juni eine Diskussion beim zweiten US Social Forum, das in der einstigen Autometropole und heutigen Krisenstadt Detroit (23 Prozent Arbeitslose) stattfindet.
Zu dem US Social Forum werden Tausende von Aktivisten, Künstlern, Denkern und Bürgerinitiativen erwartet. Zu dem ersten Forum im Jahre 2007 in Atlanta waren 12000 Teilnehmer gekommen.Die vierstündige von „16 Beaver“ angesetzte Diskussion soll sich um die Rolle der Kunst mit Blick auf die aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen drehen. Insbesondere geht es um das Verhältnis von künstlerischer Praxis und politischen Bewegungen. Interessierte aus aller Welt sind eingeladen, sich daran zu beteiligen – entweder selbst in Detroit oder über ergänzende Veranstaltungen oder per Mail. In der Veranstaltung soll nicht nur abstrakt über die Fragen diskutiert werden. Vielmehr geht es der Künstlerinitiative darum, durch Teilhabe auch emotional die Lebens- und Arbeitsbedingungen bewusst zu machen: Was heißt es heute, intellektuell oder künstlerisch unter den Bedingungen einer globalen Wirtschaftskrise, der Ausbeutung Welt, dem Widererstarken des Militärs und der zunehmenden Privatisierung zu arbeiten
Dieser nun in Gang kommende Diskussionsprozess ist das Gegenmodell zum lokal ausgerichteten Beirat der documenta 12. Man darf gespannt sein, wie global oder regional die Künstlerinitiative diesen Diskussionsprozess ausrichten wird. Das Projekt kann und muss aber auch als ein Gegenmodell zu den symposiumähnlichen Plattformen der Documenta11 gesehen werden.
Auf jeden Fall hat noch keine andere documenta so früh ihre ersten künstlerischen Projekte öffentlich auf den Weg geschickt.
DOCUMENTA IX (1992): Jan Hoet liebte es, mit den Kunstfreunden ein Versteckspiel zu spielen. Bei seiner Marathon-Veranstaltung in Gent sowie bei anderen Vorträgen präsentierte er zwar zwei Jahre vor Ausstellungsstart Hunderte von Dias. Da er aber nicht verriet, welche Künstler und Werke er aus der Masse einladen würde, verwirrte seine Vorträge mehr, als dass sie für Klarheit sorgten. Erst 14 Monate vor dem Start gab er beim Marathon in Weimar einen ersten Einblick in die Künstlerliste.
documenta X (1997): Catherine David legte im Vorfeld ihrer Ausstellung Arbeitspapiere (documenta-documents) vor, von denen das erste 16 Monate vor dem Ausstellungsbeginn erschien. In diesen Heften wurden Fragen der Zeit – der Kunst, Kultur, Politik – diskutiert und auch erste Künstler und Werke vorgestellt. Aber auch da wusste man nicht immer genau, wer wirklich auf der Künstlerliste stehen würde.
Documenta11 (2002): Okwui Enwezor hatte zwar die Plattform-Diskussionen als einen Teil der documenta gesehen, so dass seinem Verständnis nach die Documenta11 am 15. März 2001 in Wien eröffnet wurde, doch diese Diskurse über Demokratie, Macht, Kreolismus und Kunst bargen noch keine Ausstellungsbeiträge. Acht Monate vor der Eröffnung startete die documenta-Leitung die Herausgabe von achtseitigen Künstlerzeitschriften, die jeweils ein eingeladener Künstler gestalten durfte. Der erste war Thomas Hirschhorn.
Documenta 12 (2007): 16 Monate vor Ausstellungsbeginn präsentierte Roger Buergel das Projekt eines lokalen Beirats, der zwischen der globalen Kunstszene und der Kasseler Realität und Geschichte vermitteln sollte. Bei der Gelegenheit wurden mit Ricardo Basbaum und Imogen Stidworthy die ersten documenta-Künstler vorgestellt. Basbaums Kunstprojekt mit weißblauen Wannen-Objekten startete dann Mitte September 2006. Ein wesentliches Steuerungselement im Vorfeld der Ausstellung waren die unter Leitung von Georg Schöllhammer weltweit organisierten Konferenzen mit Redaktionen von Kunstzeitschriften. Diese Konferenzen waren eine wesentliche Basis für die Künstlerauswahl. Vier Monate vor Ausstellungsbeginn erschien die erste von drei Zeitschriften, in denen ähnlich wie in den documenta-documents aktuelle Fragen dikutiert und Künstler vorgestellt wurden.
19. 6. 2010