Da Rein Wolfs am 17. Januar 2013 mit Wirkung vom 1. März zum Intendanten der Bundeskunsthalle Bonn berufen wurde, ist sein bis 2016 laufender Vertrag zur Leitung der Kunsthalle Fridericianum in Kassel aufgelöst worden (siehe: Rein Wolfs übernimmt Bundeskunsthalle). Aus Dokumentationsgründen bleibt der ursprüngliche Text aber stehen.
So frühzeitig war die Besetzung der Direktorenstelle in der Kunsthalle Fridericianum noch nie geregelt: Vor wenigen Tagen unterzeichnete documenta-Geschäftsführer Bernd Leifeld in Anwesenheit von Kassels Oberbürgermeister Bertram Hilgen und Kunst-Ministerin Eva Kühne-Hörmann die Vertragsverlängerung für Rein Wolfs für den Zeitraum von 2013 bis Ende 2016. Damit wird die erfolgreiche Arbeit von Rein Wolfs (Jahrgang 1960) anerkannt, der seine Stelle 2008 als Nachfolger von René Block antrat. Gleichzeitig bedeutet die Vertragsverlängerung, dass nicht nur die nähere Zukunft der Fortbestand der Kunsthalle Fridericianum gesichert ist, sondern dass auch damit die documenta bis zum Jahre 2017 festgeschrieben wird.
Der Niederländer Rein Wolfs, der mit reichen Erfahrungen in Zürich (Migros Museum) und in Rotterdam (Museum Boijmans Van Beuningen) nach Kassel gekommen ist, hat in der Kunsthalle Fridericianum eine neue Ausstellungspolitik eingeleitet. Während Veit Loers als erster Kunsthallendirektor ein bunt gemischtes Ausstellungsprogramm – mit historischen Rückgriffen sowie entschiedenen Expeditionen in die internationale Moderne – servierte, entwickelte René Block aus der Avantgarde der 60er-Jahre (mit dem besonderen Schwerpunkt Fluxus) Ausstellungen, die die alten Positionen überprüften und zugleich untersuchten, welche nachfolgenden Künstler ähnliche Fragestellungen suchten. Dabei verbanden sich in dem Blockschen Programm Kunst, Musik und Literatur. Rein Wolfs nun wandte sich von den traditionellen Gruppenausstellungen ab. Er bot den Künstlern immer wieder viel Raum für Installationen. Aus dem Nachteil, dass für die riesigen Flächen nur bescheidene Mittel zur Verfügung stehen, machte er eine Tugend: Die eingeladenen Künstler konnten oftmals verschwenderisch mit dem Raum umgehen.
Zu einem zentralen Thema der von Rein Wolfs eingerichteten Ausstellungen wurden das Museum und die Kunst des Ausstellens. Das begann mit der Auftaktschau, Christoph Büchels „Deutsche Grammatik“ (der überwältigende Höhenpunkt in Wolfs‘ Ära), und sezte sich fort bei Klara Liden und Cyprien Gaillard (in eher versteckter Form), in Pawel Althamers Aktionsraum für Kinder, in Meschac Gabas „Museum of Contemporary African Art“, in gewisser Weise auch bei Carlos Amorales und dann wieder entschieden bei Thomas Zipp und Divo. Vieles gab sich spielerisch, aber es wurden immer der große ästhetische Ernst (Thomas Zipp) und die gesellschaftskritischen Dimensionen unübersehbar.
Rein Wolfs‘ Absage an die Malerei („Less oil more courage“) stimmte Besucher wie mich traurig, doch die Künstler brachten die traditionellen Bildwelten durch die Hintertür rein. Extrem belebend war das in Thomas Zipps Ausstellung. Aber auch die satirische Inszenierung von Divo drehte sich um die Malerei und den Umgang mit ihr: Wenn man unbedingt will, dann kann man eben auch mit Küchenschwämmen einen Mondrian beschwören. Und jetzt aktuell lässt Matias Faldbakken in den gerahmten Müllsäcken die Malerei wiederauferstehen.
Rein Wolfs gelang es, beginnend mit der „Deutschen Grammatik“ (bei der in meisterlicher Form der Friedrichsplatz zum Bild wurde), neue Publikumsschichten zu erschließen. Insbesondere die regelmäßigen Künstlergespräche, Diskussionen und Vorführungen wurden zu einem großen Erfolg. Die Kunsthalle findet auch wieder ein nationales Echo. Nur die FAZ bekommt davon nichts mit.