„100 Notizen – 100 Gedanken“

Die dOCUMENTA (13) wird eine Ausstellung der Bücher. Nachdem im Oktober das erste von zehn bis 12 Künstlerbüchern (zu dem Meteoriten „El Taco“ von Guillermo Faivovich und Nicolás Goldberg) erschienen ist, werden nun für kommenden März die ersten acht von insgesamt 100 Notebooks angekündigt. Die Notebooks, die Carolyn Christov-Bakargiev als einen Teil ihrer Ausstellung plant, sollen Texte und Bilder von Wissenschaftlern, Denkern, Schriftstellern, Künstlern und Kuratoren enthalten. Mit dem Titel 100 Notizen – 100 Gedanken nimmt die documenta-Leiterin die Vorstellung von Arnold Bode auf, der für die documenta III den Titel „Museum der 100 Tage“ prägte und fortan die 100 zur magischen Zahl für die Kasseler Ausstellung werden ließ.
Noch direkter knüpft die dOCUMENTA (13) mit dem Notebook-Projekt an die documenta X an, die mit ihrer Veranstaltungsreihe „100 Tage – 100 Gäste“ eine zusätzliche Plattform zu der Ausstellung schuf. Auch in dieser Vortrags-, Performance- und Diskussionsreihe kamen neben Künstlern und Kuratoren Wissenschaftler und Denker der verschiedensten Disziplinen zu Wort. Insofern gibt es Berührungspunkte zwischen beiden Projekten. Aber der entscheidende Unterschied ist, dass die Notebooks bereits im Vorfeld (im Verlag HatjeCantz, Stuttgart) erscheinen und nicht nur aktuelle Texte und Bilder enthalten, sondern auch historische Dokumente und Beiträge. In gewisser Weise sind es auch kleine Künstlerbücher – Publikationen, die quer gedacht sind.

Programmatisch wird die Reihe mit einem Notebook von dem Anthropologen Michael Taussig eröffnet, der zum Beraterteam von Carolyn Christov-Bakargiev gehört und der die documenta-Leiterin auf ihrer Kabul-Reise begleitete. Taussig ist selbst ein eifriger Nutzer von Notizbüchern. Und so ergreift er die Möglichkeit, sich in seinem Büchlein Feldforschungsnotizbücher über die Form und Funktion von Notizbüchern Gedanken zu machen. Sein Beitrag ist also eine Art Schlüssel zu der ganzen Reihe.
Nicht weniger spannend ist die Nummer zwei: Der Kanadier Ian Wallace (Jahrgang 1943) publiziert unter dem Titel Die erste documenta 1955 eine Vorlesung, die er 1987 gehalten hat und die aus der nordamerikanischen Perspektive neue Gedanken erwarten lässt. Schließlich waren in der ersten documenta die europäischen Künstler nahezu unter sich.
Der dritte Band führt dann in die Gegenwart und stellt den Brief an einen Freund vor, den Carolyn Christov-Bakargiev anlässlich ihrer ersten Pressekonferenz in Berlin Ende Oktober vorstellte. In diesem Brief dokumentiert sie die Gedanken zur Welt und zur Kunst, die sie umtreiben und wie sie auf das Machen der Ausstellung wirken.
Der vierte Band Emily Jacir & Susan Buck-Morss führt direkt zur dOCUMENTA (13) hin, ist sozusagen ein Vorgriff auf die Ausstellung. In ihm sind Fotos von Emily Jacir versammelt, die die palästinensische Künstlerin im Kloster Breitenau und in Kassel machte. Breitenau war Erziehungsheim für schwer erziehbare Mädchen und in der Nazi-Zeit ein Lager für politische und rassisch Verfolgte. Zu diesen Fotos hat die Künstlerin kommentierende Gedanken gesetzt. Außerdem ist ein Text von Susan Buck-Morss enthalten, in dem die politische Philosophin die Reaktionen auf diese Fotos theoretisch zu verarbeiten sucht.
Weitere Titel:
György Lukács: Notizen zu Georg Simmels Vorlesungen, 1906/07, Einführung: Lívia Páldi
Etel Adnan (libanesisch-amerikanische Dichterin)
Erkki Kurenniemi, Einführung: Lars Bang Larsen (Kurenniemi ist ein finnischer Pionier der elektronischen Musik)
Lawrence Weiner: IF IN FACT THERE IS A CONTEXT (Lawrence Weiner war erstmals 1972 zur documenta eingeladen)

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