Die unbeachteten Hinweise

Bei der Vorbereitung der dOCUMENTA (13) läuft – im Vergleich zu den früheren Kasseler Großausstellungen – vieles anderes. Ayreen Anastas & René Gabri legen unter dem Gruppen-Pseudonym AND AND AND digitale Spuren zu entlegenen Schauplätzen und aktuellen Diskussionsrunden, die sich nur erschließen, wenn man in die Tiefen des Mediums folgt. Und auch documenta-Leiterin Carolyn Christov-Bakargiev spielt gekonnt mit den neuen Möglichkeiten des Internets sowie mit Statements und Publikationen.

Das Ergebnis ist, dass die Schweigerituale, wie wir sie aus den Vorfeldern früherer documenta-Ausstellungen kennen, nicht mehr gelten. Zwar legt CCB ein Jahr vor Beginn der Kunstschau auch noch keine verbindliche Künstlerliste vor, doch hat sie auf den documenta-websites sowie in ihrem documenta-Hundekalender so viele Künstlernamen eingestreut, dass es möglich ist, rund 60 Künstlernamen aufzulisten, die mit der dOCUMENTA (13) und ihrem Umfeld zu tun haben werden (siehe: Die dOCUMENTA (13)-Künstlerliste)

Doch wer nimmt diese Hinweise wahr und lässt sich zu der entsprechenden Internet-Recherche herausfordern? Es scheinen nur wenige zu sein, denn sonst hätten sich nicht am vergangenen Freitag so viele Journalisten und Zeitungsredaktionen auf einen Artikel des Kölner Stadt-Anzeigers (nachrichtlich von dpa ausgewertet) gestürzt, in dem unter anderem 15 Namen von Künstlerinnen und Künstlern aufgelistet werden, die im Zusammenhang mit dem Kalenderprojekt in Erscheinung treten. Die digitale Form des Kalenders ist seit Anfang Mai weltweit zugänglich. Doch da musste erst das Gespräch, das Georg Imdahl mit der documenta-Leiterin veröffentlicht werden, bis die Eigenrecherche einsetzte.

Nicht viel anders verhält es sich mit dem Motto oder Leitmotiv der kommenden documenta: collapse and recovery. Als sie sich erstmals öffentlich zu dem Begriffspaar Zusammenbruch und Neubeginn bekannte, nämlich in dem am 30. Oktober 2010 veröffentlichten Brief an einen Freund, da konnte es in der Vielzahl der Äußerungen noch untergehen. Doch als im März/April die ersten 17 Notebooks veröffentlicht wurden, war CCBs Brief an einen Freund durch Reproduktionen von ein paar mind maps bereichert worden. In der zentralen Ideenskizze aber steht an herausragender Stelle – geradezu als Motto – das Begriffspaar Collapse – Recovery. Und verfolgt man die grafischen Verknüpfungen, dann wird schnell klar, dass unter dem Leitmotiv Verbindungen zwischen Bamyan (zerstörte Riesen-Buddha-Figuren), Kabul Kassel und Breitenau hergestellt wird. Zudem wird jeder fündig, der auf Künstlernamen aus ist.

Wie zentral für CCB das collapse-Motiv ist, wird dran erkennbar, dass in den ersten 17 Notebooks jeweils ein ganzseitiger Ausschnitt aus dem Foto zu sehen ist, dass das zerstörte Museum Fridericianum im Jahre 1941 zeigt.

Das collapse-Motiv nimmt dann noch einmal eindrucksvoll Mariam Ghani in einem Beitrag für die documenta-website auf, die am 25. Mai online gestellt wurde.

Auch verwundert die Überraschung über die documenta-Schauplätze, die in dem Zeitungsartikel genannt werden. In der genannten mind map werden schon Ständehaus, Kaskade, Mark Hotel Hessenland, Sinn Leffers, SMA und die Aue aufgeführt. Und in einem Vortrag in Brüssel, über den unter anderem in Kassel berichtet wurde, nannte CCB als Spielorte Kulturbahnhof, Orangerie, Neue Galerie, Ständehaus, Kaskade- und Gloria-Kinos sowie das „Hugenottenhaus“ (neben Hotel Hessenland).

5. 7. 2011

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