Wolfs: Ein gespaltenes Verhältnis zum Museum

Herr Wolfs, Sie haben jetzt Teile der Sammlung aus dem Züricher Migros Museum für Gegenwartskunst im Haus, an deren Zustandekommen Sie selbst mitgewirkt haben. Was ist das für ein Gefühl?
Wolfs: Es ist ein Gefühl der Nostalgie, Werke wiederzusehen, die ich angekauft habe. Aber es sind auch Ankäufe meiner Nachfolgerin dabei und eine Arbeit, die mein Vorgänger angeschafft hat. Die Ausstellung macht aber außerdem klar, wo das herkommt, was ich in Kassel, in der Kunsthalle Fridericianum, mache.
Hat sich denn die Sammlungspolitik im Migros Museum seit Ihrem Ausscheiden vor zehn Jahren geändert?
Wolfs: Die Ankaufspolitik ändert sich immer, wenn neue Leute sammeln. Aber es sind schon ein paar wichtige Punkte konstant geblieben: Beispielsweise die Konzentration auf engagierte Kunst, die Beschäftigung mit Performativität, eine gewisse Vorliebe für Werke, die eher konservatorische oder logistische Probleme darstellen, oder die starke Anbindung an die Produktion von Werken für Ausstellungen, die dann in die Sammlung integriert werden.
Fehlt Ihnen eigentlich jetzt die Sammlung, an der Sie sich orientieren und an der Sie arbeiten können?
Wolfs: Mit einer Sammlung zu arbeiten, ist ein Vorteil, weil man Achsen sieht und Spuren von dem, was man gemacht hat, bleiben. Andererseits ist es reizvoll, immer wieder neu anzufangen.
Nun bestand früher ein Kontrast zwischen einer Kunsthalle mit wechselnden Ausstellungen und einem auf Bewahrung angelegten Museum. Nach Lektüre der Texte im Katalog des Migros Museums habe ich den Eindruck, dass dort diese Grenzziehung aufgehoben wurde..
Wolfs: In gewisser Weise schon. Also wir fanden es notwendig, durch die Gründung des Museums in 1996 die Sammlung auf engagiertere Art weiterzuentwickeln. Deshalb mussten wir fast wie eine Kunsthalle stark ausstellungsbezogen agieren. Unter diesen Voraussetzungen ist die Sammlung nicht nur gewachsen, sondern auch reifer geworden. Ich glaube an dynamische Museen, wobei es auch darum geht, neue Besuchergruppen zu erschließen. Das gelingt nicht, wenn man die Sammlungsräume nicht verändert. Die Mona Lisa will man natürlich immer dort sehen, wo sie heute hängt. Die muss ständig präsent bleiben. Aber sonst bin dafür, dass man eine Sammlung regelmäßig umstellt.
Hängt die Veränderung der Anforderungen an das Museum auch damit zusammen, dass die zeitgenössischen Künstler näher an der Realität sind?
Wolfs: Auch, aber nicht nur. Ich denke, was beispielsweise ein Jean-Christophe Ammann in den 90er-Jahren mit seinen ständigen Sammlungsveränderungen im Frankfurter Museum für Moderne Kunst gemacht hat und was anschließend Udo Kittelmann noch forciert hat, zeigt, wohin die Entwicklung gehen muss.
Ich habe das Gefühl, dass Sie ein Stück von diesem neuen Geist mit nach Kassel gebracht haben, wobei sie mit dem Widerspruch leben, in einem Gebäude zu wirken, das Museum heißt, aber Kunsthalle ist. Kurz, Sie lieben es, sich mit ihren Ausstellungen an der Institution Museum zu reiben.
Wolfs: Ja. Ich habe immer ein gespaltenes Verhältnis zum Museum gehabt. Einerseits schätze ich das Museum sehr, andererseits habe ich meine Mühe mit allzu starren Museen, weil sie meistens nicht darauf vorbereitet sind, was kommen wird. Auch habe ich eher eine Hass-Liebe Verhältnis zum white cube des Museums.
Aber hier haben Sie das Verhältnis zum Museum regelrecht zum Thema von Ausstellungen gemacht.
Wolfs: Ja, das stimmt. Mich reizt die Überlagerung der Räume und die Auseinandersetzung mit dem white cube. Nehmen Sie die Ausstellung von Matias Faldbakken zum Beispiel. Die hat im ersten Raum ganz nobel und museal streng angefangen und ist dann im zweiten Raum in einen Zustand der Auflösung und Zerstörung geendet. Diese zwiespältige Auseinandersetzung mit dem Musealen interessiert mich. Auf der anderen Seite habe ich das Interesse an Kunst, die sich nur mit sich selbst beschäftigt, verloren.
Aber war nicht die Thomas-Zipp-Ausstellung ein Paradebeispiel, für Kunst, die mit sich selbst spielt?
Wolfs: Zipp ist ein begnadeter Maler und Zeichner. Er hat es aber verstanden, seine Malerei und Zeichenkunst in eine großartige Inszenierung einzubinden und damit den white cube zum Verschwinden gebracht, um ihn in einer anderen Funktion als eine Gummizelle auftauchen lassen.
Ja, das ist das härteste, was man mit einem white cube machen kann.
Wolfs: Allerdings.
Haben Sie schon eine Ahnung, was Sie zwischen 2013 und 2016 zeigen werden?
Wolfs: Es kann sein, dass ich ein paar Künstlerpositionen bringen werde, die schon weiter und auch älter sind. Doch das ist aber immer eine Frage der finanziellen Möglichkeiten. Sicher werde ich das Haus weiterhin stark gestisch und großzügig zu bespielen versuchen.

Kunstzeitung Juli 2011

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