Lust an Gewalt

Gardar Eide Einarsson: Power Has a Fragrance
Kunsthalle Fridericianum, 25. Juni – 11. September 2011
Wir leben in einer geordneten Gesellschaft. Das Miteinander wird durch Regeln bestimmt. Wer sich nicht an sie hält, gerät mit den Hütern der Ordnung in Konflikt und muss lernen, mit der Androhung und Durchsetzung von Gewalt zu leben.
Was ist das aber für eine Macht, die für die Durchsetzung der Gewalt steht? Fürchten wir sie, oder liebäugeln wir mit ihr und finden sie gar verführerisch? Der in New York lebende Norweger Gardar Eide Einarsson (Jahrgang 1976) will das, wie der Titel seiner Ausstellung „Power Has a Fragrance“ nahelegt, nicht ausschließen: Macht kann durchaus einen Wohlgeruch ausströmen, sofern man nicht gerade ihr leidendes Opfer ist.
Einarssons Ausstellung, die nach einer Tour durch Skandinavien jetzt in Kassel die Kunsthalle Fridericianum erreicht hat, entführt in eine Welt, in der die Symbole der Macht die Besucher umstellen und in der genauso die Mittel des Widerstandes beschworen werden. Es ist so, als wäre unsere Wirklichkeit auf die Zeichen von Macht, Gewalt und Revolte reduziert worden.
Die Installation, die Einarsson in zwei Sälen des Fridericianums zeigt (parallel zu der Ausstellung „produced by migros“), besteht aus zahlreichen Einzelarbeiten, deren größter Teil in den Jahren 2010 und 2011 entstanden ist. Diese Bilder und Objekte gehören zu einem riesigen Fundus, aus dem sich der Künstler bedient, wenn eine Ausstellung zu gestalten ist. Das heißt: Auch bei einer Ausstellungstournee, wie sie Einarsson derzeit zu bestreiten hat, wird nicht eine fest umrissene Installation mit den immer gleichen Arbeiten weitergereicht, sondern die Schau wird immer neu zusammengesetzt.
Die Botschaft allerdings bleibt gleich und ist unmissverständlich: Wir werden observiert und bewacht, werden umstellt und finden möglicherweise Trost bei den Zeichen des Widerstandes – der Barrikade aus Autoreifen und Bambusstangen oder der Leuchtbox mit der Botschaft „Don’t believe anything you hear and only half of what you can see“.
Zur Dramaturgie von Einarssons Inszenierung gehört das Mittel der Wiederholung. In mehreren Ecken der Säle sieht man Fotos von Hydranten, Briefkästen und anderen sockelhohen Objekten, die zum amerikanischen Stadtbild gehören. Erst bei genauem Hinsehen entdeckt man, dass sich hinter diesen Objekten jeweils ein Polizist befindet, der seinen Revolver im Anschlag hält. Einarsson hat die Motive einem Lehrbuch für die Polizei entnommen. Die Fotos sollen den Polizisten zeigen, wie sie unbemerkt und geschützt bei Auseinandersetzungen Stellung beziehen können. Allerdings kehrt sich die Wirkung der Fotomotive im Ausstellungsrahmen um, denn aus dem Sicherheitsversprechen wird eine auf die Besucher gerichtete Bedrohung.

Kunstforum September 2011

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