Ein Bildhauer auf Abwegen

Die Nationalsozialisten holten die Kunst der Moderne, die ihnen undeutsch und dekadent erschien, aus den Museen. Zugleich diffamierten sie die Schöpfer dieser Werke. Der Bildhauer Arno Breker hingegen feierte genau in jener Zeit seine größten Triumphe. Als er nach Ende des Zweiten Weltkrieges vom Kunstbetrieb geschnitten wurde und keine nennenswerte Ausstellung erhielt, meinte er, nun werde er unter umgekehrten Vorzeichen verfolgt.
Setzt sich Brekers „Verfolgung“ auch 15 Jahre nach seinem Tod fort, wenn ein Streit um die Frage entsteht, ob sein Werk in einer Ausstellung (wie jetzt in Schwerin) gezeigt werden könne oder nicht? Das heißt: Geschieht hier einem Künstler Unrecht, weil er nicht in den Zeitgeschmack passt und möglicherweise
fälschlich als Parteigänger der Nationalsozialisten verdächtigt wird?
Vorsicht ist geboten, weil man schnell einer Legendenbildung erliegen kann. Richtig ist, dass Breker, der an der Kunstakademie Düsseldorf studierte, in den 20er-Jahren des vorigen Jahrhunderts ein begabter und Erfolg versprechender Künstler war. Durch den Einfluss des französischen Künstlers Maillol fand er unter den damals figürlich arbeitenden Künstlern zur internationalen Szene.
Sein Pech oder Glück (wie man es nimmt) war, dass er 1933, als die Avantgardekünstler Deutschland in Scharen verließen, von Paris in seine Heimat zurückkam und im Nazi-Regime zum Lieblingsbildhauer Hitlers werden sollte. Durch seine gute Verbindung zu Albert Speer konnte er monumentale Plastiken für das Olympiastadion in Berlin, das Reichsparteitagsgelände in Nürnberg und für die Reichskanzlei schaffen.
Aber wie Speer gab sich Breker als Unpolitischer der nur kenntnisreich seine Arbeit machen wollte. Konnte er oder wollte er nicht verstehen, dass er sich zum Handlanger und Propagandisten des Systems machte, indem er Großplastiken von Kämpfern und Fackelträgern anfertigte, während die Kunst der Moderne auf
dem Schutthaufen gelandet war? Auch erkannte Breker nicht, dass sich seine Kunst im Bündnis mit den Nazis verflacht hatte. Die meisten seiner Plastiken erschienen zwar glatter und perfekter als in der Zeit vor 1933, doch die Konzentration auf äußerliche Schönheit ließ die Arbeiten seelenlos und kitschig scheinen. So gab es nach dem Krieg gleich einen doppelten Grund, Brekers Werke nicht zeigen: Zu dem Künstler, ein todbringendes System verherrlicht hatte, musste einmal eine kritische Distanz hergestellt werden. Außerdem fehlte dem Werk die notwendige Qualität.
Arno Breker hatte trotzdem Erfolg. Er erhielt von einer Vielzahl von Unternehmern und Politikern Porträtaufträge, die mit der modernen Kunst nichts im Sinn hatten, und er durfte unter anderem für die Gerling-Versicherung die Konzernzentrale in Köln bauen. Er lebte nicht schlecht und hatte sogar Förderer, die die Errichtung eines Heine-Denkmals nach seinem Entwurf in Düsseldorf durchsetzen wollten. Dazu kam es glücklicherweise nicht, dass der Künstler, der von den Nazis profitiert hatte, den Dichter ehren sollte, den die Nazis diffamierten.
Arno Breker hat nie nie verstanden, warum er nach dem Krieg im Abseits gelandet war. Immer wieder wies er rauf hin, wie vielen Juden und modernen Künstlern er geholfen habe. Dass er aber der Parteigänger der Verfolger war, wollte er nicht verstehen.
Folgt daraus, dass man Breker auch heute nicht zeigen soll? Keineswegs. Brekers Werk ist Teil der Geschichte und der Kunstwirklichkrit. Eine Ausblendung wäre gefährlich. Genauso gefährlich wäre allerdings eine Ausstellung. die Brekers unpolitisches Denken aufnimmt. Es muss klar werden, vor welchem Hintergrund sein Werk entstanden ist. Ob das in Schwerin gelingt, ist fraglich.
HNA 20. 7. 2006

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