Ein schlechter Witz

Ein Heine-Denkmal von Arno Breker?

Eine Fotomontage war es, die die Empörung weckte: Auf dem Vorplatz des Düsseldorfer Schauspielhauses war da ein Heinrich-Heine-Denkmal nach dem Entwurf von Arno Breker zu sehen. Propagiert wurde diese Aussicht von dem einflussreichen Heimatverein Düsseldorfer Jonges, die 1982 zu ihrem 50jährigen Bestehen diese Plastik der Stadt zum Geschenk machen wollten.
Brekers Entwurf ist nahezu 50 Jahre alt. Er wurde 1932 bei einem Wettbewerb für ein Heine-Denkmal in Düsseldorf unter 74 Einsendungen mit dem zweiten Preis bedacht. Der erste Preis war Georg Kolbe zugesprochen worden, gegen dessen Entwurf eines „aufsteigenden Jünglings“ jedoch damals jene polemisierten, die sich heute für Breker stark machen.
Nun ist ja jedermann darin frei, sich Denkmäler und Plastiken von wem auch immer anfertigen und in den Garten stellen zu lassen – auch von Arno Breker. Ein öffentliches, also stadtoffizielles Heine-Denkmal kann aber nicht harm- und gedankenlos entgegengenommen und aufgestellt werden, schon gar nicht in Düsseldorf. Denn in Heines Geburtsstadt währt schon seit 1887 das Ringen um ein Denkmal für diesen kritischen Geist. Gerade weil dieser durch die Jahrzehnte ziehende Streit durchweg politisch bestimmt war, kann man nicht so tun, als ließe er sich unpolitisch beilegen.
Es wäre ein schlechter Witz der Geschichte, wenn der fast hundertjährige Kampf um ein Heine-Denkmal damit enden sollte, dass jener Bildhauer den Entwurf lieferte, der seine größten Triumphe feierte, als Heines Name und Dichtung aus dem Bewusstsein der Deutschen gelöst werden sollten: Auch 34 Jahre nach Kriegsende muss daran erinnert werden, dass Arno Breker während der Nazizeit mehr als ein Mitläufer war, dass er, wie es in einem Porträt hieß, die „künstlerische Fassade eines unmenschlichen Regimes mitgestaltet hat“.
Breker selbst handelte nicht unmenschlich. Im Gegenteil, er hat hier und dort zu jener Zeit Künstlern aus der politischen Bedrängnis geholfen. Gleichzeitig verhalf er aber dem System, das diese Bedrängnisse schuf, durch Monumentalplastiken zur Selbstdarstellung und Verherrlichung.
Der 1900 in Elberfeld geborene und heute in Düsseldorf lebende Künstler ist, das muss dazugesagt werden, nicht erst durch die Nationalsozialisten zum Erfolg gekommen: Nach seinem Studium an der Düsseldorfer Akademie (1920 bis 1925) arbeitete Breker sechs Jahre lang in Paris. Dort geriet er unter den Einfluss von Aristide Maillol; er schloss mit zahlreichen angesehenen französischen Künstlern Freundschaft. Vielleicht hätte er, auch künstlerisch, eine andere Entwicklung genommen, wäre er nicht ausgerechnet 1933, als die Künstler-Elite Deutschland verlassen msste, von Paris nach Berlin übergesiedelt.
Brekers bildhauerische Begabung, naturalistisch zu modellieren, flachte nun zusehends ab in jene hehren, aber leeren Monumental-Gebärden, die Hitler, Göring und Speer so liebten. Mit der Haltung eines ehrgeizigen und verblendeten Unpolitischen wurde Breker zum Lieblingsbildhauer des Führers. Noch heute scheint ihm und seinen Förderern diese Rolle glaubwürdig:
„Dass der Stil der damaligen politischen Führung gefiel, war mir natürlich recht. Welcher Künstler würde denn nein sagen, wenn jemand – ohne Bedingungen zu stellen – seinen Vorstellungen zu öffentlichem Durchbruch verhilft?“ Breker, der das vor wenigen Jahren in einem Interview sagte, belegt damit, wie wenig er aus dem Gang der Geschichte gelernt hat.
Wenn nun Hermann Lohausen, der Präsident der „Gesellschaft Heinrich Heine- Denkmal“ (,‚der es um nichts anderes geht, als um die Realisierung des Brekerschen Denkmalsentwurfs“), schreibt, Breker sei „mitnichten Symbol für die Kunst des nationalsozialistischen Regimes – eine solche hat es überhaupt nicht gegeben“, dann argumentiert er genau so bedenklich unpolitisch, wie sich Breker gibt. Die Kunst des Dritten Reiches hatte ein sehr ausgeprägtes Doppelgesicht, dessen eine Seite die Diffamierung der wahrhaft zeitgenössischen Kunst war und deren andere einen historisierenden, seelenlos-kitschigen Realismus verkündete. Und genau Breker war nicht nur ein Künstler, dessen Werk die Nazis vereinnahmten, sondern er war auch Verkünder und Lehrer dieser Kunst: 1937 bekam er einen Lehrstuhl in Berlin.
Andererseits hat Lohausen nicht unrecht, wenn er der Stadt Düsseldorf vorrechnet, an welchen Stellen sie Breker-Plastiken präsentiere. In der Tat ist Düsseldorfs Verhältnis zu Breker, wenn auch mit umgekehrten Vorzeichen, in gleicher Weise gebrochen wie das zu Heine. Ein Grund mehr, die Brechungen nicht zu vermehren. Eine Wunde lässt sich nicht mit einer anderen heilen.
Das Schicksal Brekers im Nachkriegs-Deutschland ist überhaupt merkwürdiger Natur. Obwohl er lange Zeit das Rampenlicht mied, wurde er zu einem der erfolgreichsten Bildhauer, der nationale Wirtschaftspotentaten ebenso porträtierte wie internationale Politiker und Künstler. Obwohl von Kunstmarkt und Kritik weitgehend unbeachtet, schuf sich Breker einen großen, finanzkräftigen Kundenkreis. Basis für diese lautlose Karriere waren in den 50er Jahren Planungsaufträge des Kölner Gerling-Konzerns und anderer Unternehmen für nach wie vor monumentale Verwaltungsbauten, Reliefs und Freiplastiken.
Dass dieser Erfolg nur gelegentlich von der Öffentlichkeit zur Kenntnis genommen wurde, hatte nicht nur Ursache in der politischen Vergangenheit Brekers. Arno Breker teilte zugleich das Schicksal jener exklusiven Gruppe von Porträtmalern und Bildhauern, an denen die Kunstentwicklung vorbeigegangen ist, die aber gern erfolgreich dem Verlangen von Prominenten nachkommen, sie erkennbar in Öl oder Bronze zu verewigen.
Arno Brekers Entwurf für ein Heine-Denkmal als ein „bedeutendes künstlerisches Werk“ (so die „Gesellschaft Heinrich Heine-Denkmal“) zu feiern, wäre vielleicht 1932 zeitgemäß gewesen. Der Entwurf leidet nicht nur unter der politischen Vorbelastung seines Autors und damit unter Geschmacklosigkeit des Versuchs, Heine durch Breker ehren zu lassen, sondern leidet auch darunter, dass fünfzig entscheidende Jahre der Kunstentwicklung an ihm spurlos vorübergegangen sind.
Heinrich Heine und seiner Vaterstadt ist nur zu wünschen, dass tatsächlich bis zum 125. Todestag Heines im Februar 1981 Bert Gerresheims Heine-Denkmal realisiert und aufgestellt ist. Gerresheims Entwurf überzeugt vor allem deshalb, weil er die Widersprüchlichkeit und Gebrochenheit der Deutschen im Umgang mit Heine sichtbar werden lässt.
1837 schrieb Heinrich Heine mit Blick auf seinen Tod und möglichen Nachruhm: „In Düsseldorf wird mir dann wohl Monument gesetzt werden.“ Hier irrte Heine – vorläufig.
Rheinische Post, 27. 10. 1979

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