Ein Sklave der Form

Das deutsche Leiden an der gebrochenen historischen Tradition kennt er nicht. Er hat „nichts zu bedauern; nichts zu bereuen und
nichts hinzuzufügen“. Und er wundert sich höchstens daruber, dass sein einstiger Freund Albert Speer sich heute so sehr von seinen Leistungen während der Nazi-Zeit abwendet und dass er selbst von vielen nach 1945 für einen toten Mann gehalten wurde.
Das Jahr des politischen Zusammenbruchs in Deutschland brachte für den Bildhauer Arno Breker zwar einschneidende persönliche Veränderungen, doch als
eine Wende oder einen Bruch versteht er dieses Jahr auch heute noch nicht Er sieht sich lediglich als einen „Verfolgten seiner Arbeitsbesessenheit“, die ihn sein Leben hindurch ebenso bestimmt habe wie sein Wunsch den Sinn der Schöpfung in Skulpturen zu erhalten.
Dieses nun 80jährige Leben führte den gebürtigen (Wuppertal-)Elberfelder über die Düsseldorfer Akademie 1927 nach Paris und 1934 nach Berlin, wo er bald (nach Josef Thorak) der zweitwichtigste Bildhauer des nationalsozialistischen Staates werden sollte. Nicht dass der aufstrebende und gerade erfolgreiche Bildhauer damals der Verführung erlag, seine klassizistische Kunstauffassung im großen Stile umsetzen zu können, stimmt heute so sehr nachdenklich. Was bei Arno Breker zumindest verwundert, ist vielmehr die Tatsache, dass es ihm auch heute noch nicht in den Sinn kommt, dass er mit seiner ins Monumentale gesteigerten Kunst der Ideologie dieses Gewaltregimes zu Denkmälern und damit zu Ansehen verhalf.
Auf diese Zeit angesprochen, verweisen Breker und die ihm zu Ehren gegründete Gesellschaft zwar gern auf einige jüdische und kommunistische Intellektuelle, die der Bildhauer vor dem Zügriff der Nazi-Schergen bewahrt habe. Aber dass die Bedrohung dieser Menschen eben von denen ausging, für die er arbeitete, scheint er nicht zu erkennen.
Aufgrund der zeitweise engen Beziehung zu Aristide Maillol wird Breker von seinen Hausbiographen gern in eine Reihe mit Rodin und Maillol gestellt. Doch nur weil er als ein „Bewahrer des Menschenbildes“ gelten will, ist er nicht auch gleich ein Erbe Rodins. Im Gegenteil, der handwerklich perfekte Bildhauer, der jeden Muskel und jede Haarsträhne nachzubilden sich bemüht, schuf oftmals nur imponierende, leere Hülsen von Menschen. Alles wird bei ihm auf ein oberflächliches Schönheitsideal getrimmt, öhne dass sich das Menschsein (von einigen Porträts abgesehen) mitteilt. Breker st zum Sklaven der natürlichen und dabei ins Hehre übersteigerten Form geworden.
Der heute in Düsseldorf lebende und noch vital schaffende Künstler hat materiell nicht darunter gelitten, dass die Kunstöffentlichkeit nach 1945 ihn weitgehend ignorierte. Dank zahlreicher nichtöffentlicher Aufträge blieb er weiterhin einer der erfolgreichsten deutschen Bildhauer der Gegenwart.

Rheinische Post 19. 7. 1980

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