Zur Karikatur des Schönen geworden

Mit gewisser Regelmäßigkeit ist seit Beginn der 80er Jahre das Werk der in Köln lebenden Malerin Tremezza von Brentano in Kassel ausgestellt worden. Ihre Malerei und Entwicklung sind hier bekannt. Umso überraschender wirkt jetzt die Brentano-Ausstellung in der Realismusgalerie (Fuldatai-Ihringshausen): Vieles von dem, was zu den anderen Bildern gesagt und geschrieben worden ist, trifft auf die neueren Arbeiten nicht zu.
Tremezza von Brentano ist früher mit streng gebauten Figurenbildern hervorgetreten. Die in der Bewegung erstarrten, oft etwas klobig angelegten Menschen waren fest in räumliche Kompositionen eingebunden. Nun aber wirken die meisten ihrer Gemälde wie gemalte Collagen. Bisweilen sind die Figuren ohne Rücksicht auf räumliche Zusammenhänge zueinandergebracht. Die Köpfe, Hälse und Leiber ballen sich. Zugleich ist die stilllebenhafte Ruhe aus den Bildern gewichen.
Der Wechsel der Kompositionsweise ist mit einem Themensprung verbunden: Der überwiegende Teil der in der Realismusgalerle gezeigten Bilder setzt sich mit Figuren und Idolen aus Film und Werbung auseinander. Tremezza von Brentano transponiert die schönen Figuren und effektvollen Gesten aus der Werbewelt in ihre Malerei, verweigert aber den verführerischen Gestalten ihre vertraute Schönheit. Die herbe, vergröbernde malerische Struktur lässt die Leitbilder zu Karikaturen ihrer selbst werden.
Es sind bittere, zum Teil böse Bilder entstanden. Das strahlende Lachen verformt das Gesicht zur Fratze. Die Werte und Verbindlichkeiten sind diesen Menschen entglitten: In dem Bild „Drei Frauen und ein Kind“ produzieren sich die Frauen übergroß, während das kleine Kind hilflos auf den unteren Bildrand gefallen ist. Eine resignative Spiegelung der Gesellschaft.
HNA 27. 7. 1994

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