Der Mann mit der Axt

„Ohne den Garten wäre ich längst geplatzt. Ich brauche die schwere Arbeit, die er mir abfordert. Am liebsten arbeite ich mich mit der langstieligen Axt aus. Mit meiner Axt bewaffnet, bekomme ich einen Anflug von Gewalttätigkeit Dies schreibt ein Mann, der morgen 70 wird:
Lothar-Günther Buchheim, U-Boot-Fahrer und Fotograf, Schriftsteller und Verleger, Sammler und Maler. Ein Mann voller saftiger Eigenschaften. Die Axt schwingt er nicht nur im Garten, auch im Kulturgeschäft schlägt er gern kräftig zu, auf dass die Späne fliegen. Den ärgsten Zorn zogen zuletzt die Duisburger auf sich, die vor fünf Jahren noch die Feier zu Buchheims 65. Geburtstag so großartig ausgerichtet hatten: Sie ließen ihn zum Professor ernennen, ermöglichten dem Maler Buchheim im sonst nur der Skulptur gewidmeten Lehmbruck-Museum eine Ausstellung seiner Bilder und brachten einen Museumsanbau auf den Weg, um sich darauf vorzubereiten, dass der Sammler Buchheim seine Expressionisten-Schätze nach Duisburg geben würde.
Doch der so heiß umworbene Mäzen aus Feldafing schalt bald darauf die Kulturpolitiker der Ruhrstadt „Kultur-Polit-Schranzen“ und entzog kurz vor Fertigstellung des Anbaus den Duisburgern seine Expressionisten. Das war (nach München) bereits der zweite Rückzug, den Buchheim mit seiner Sammlung antrat. Auch jetzt, in seinem Heimatort Feldafing, steht es wieder auf der Kippe, ob dort endlich die vagabundierenden Bilder ihre Bleibe finden.
Lothar-Günther Buchheim ist eine Ausnahmeerscheinung. Mit seinem Fotoband über den U-Boot-Krieg und noch mehr durch sein Buch „Das Boot‘ (das auch verfilmt wurde) ist er zu Weltruhm gekommen. Als Kunstbuchautor und Verleger hat er die Fachwelt bereichert, als Fotograf lässt er aufmerken. Dennoch neigt er zur Selbstüberschätzung, wenn er in die von ihm produzierten Kalender moderner Kunst seine eigenen Bilder zwischen die der Expressionisten streut.
Rechtzeitig zu seinem 70. Geburtstag ist bei dtv (Nr. 2899, 156 S., 14,80 DM) das Taschenbuch „Die Tropen von Feldafing“ erschienen, in dem Buchheim seine Aquarelle vorstellt und „Über das Sehen und Malen“ schreibt. In diesem Buch, aus dem auch das Eingangszitat stammt, stellt er sich als sinnliche, animalische Natur vor. Darin schildert er auch drastisch, wie er die Zunge einsetzt, wenn zuviel Farbe aufs Papier gelangt ist: „Ich lecke es auf und spucke mein schwarzes Maul in die grüne Wiese aus.“
Zum Bild dieses prallen Multitalents gehört, dass selbst dann, wenn dieser Mann gefeiert wird, ihm alle bewundernd nicht nur Geist und Talent, sondern auch seine Lust am Streit, seine Unberechenbarkeit bescheinigen. Reichlich Zeugnis legt davon das Buch „Kaleidoskop“ (Bertelsmann Verlag, 224 S., 36 DM) ab, in dem 100 prominente Zeitgenossen das Urviech Buchheim besingen. Herrliche und ehrliche Texte sind darin, doch nach dem 12. Beitrag kann man das Lied vom tolldreisten Mann nicht mehr hören.
HNA 5. 2. 1988

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