Das Traurige als Klischee

7ljährig hat sich der französische Maler Bernard Buffet das Leben genommen. Er hatte in den 50er Jahren einen kometenhaften Aufstieg erlebt, sich
danach aber künstlerisch nicht weiter entwickelt.
Seine Bilder gingen um die Welt. Wo seine Originale nicht zur Hand oder zu teuer waren, mussten hunderttausendfach Reproduktionen her-
halten: Der traurige Clown und das ebenso ernst dreinschauende Mädchen mit dem langen schlanken Körper und dem schwarzen Haar eroberten in den 50er und 60er Jahren die Wände der Wohn- und Wartezimmern. Der französische Maler Bernard Buffet hatte mit der Melancholie seiner Figuren offenbar den Geist der Nachkriegszeit getroffen: Der Schrecken der Kriegserfahrung sprach in gleicher Weise aus den Bildern wie jener Hang zum Existentialismus, der damals unter den westeuropäischen Intellektuellen in Mode war.
Zugleich entsprachen die Kompositionen in ihrer Mischung aus expressiver Liniensprache und sparsamer Stilisierung dem Bedürfnis nach einer modernen, aber doch klar verständlichen Bildsprache. Und da zu der Zeit die abstrakte Kunst die Galerien und Museen beherrschte, wurde Bernard Buffet zu einem gefragten und beliebten Künstler, den Teile der Kritik gleichrangig neben Picasso (der damals höchst umstritten war) sahen. Buffet wurde mit Preisen überhäuft, verkaufte mit wachsendem Erfolg in Frankreich und später vor allem in Asien und geriet dennoch ins Abseits. Die Kritik und der europäische Kunstbetrieb straften ihn zusehends mit Missachtung, da die eigenwillige Malerei Buffets von ihren eigenen Reproduktionen eingeholt worden war. Buffet, der ähnlich wie Max Beckmann alle Figuren mit schwarzen Konturen versah und daher stark grafisch wirkende Bilder produzierte, malte zwar bis in die 90er Jahre unermüdlich weiter, konnte sich aber nicht von der Bildsprache der 50er Jahre lösen. Die traurigen Gestalten und Schreckensvisionen waren zu Klischees geworden. Vielleicht auch deshalb, weil kein inneres Engagement dahinter stand.
Als vor fünf Jahren Buffets Werk in der Kasseler documenta-Halle umfassend präsentiert wurde, war dies seit langem die erste große Werkschau des Franzosen in Deutschland. Die großformatigen Bilder erdrückten förmlich die Besucher und offenbarten ihre Leere. Die malerische Qualität, über die Buffet verfügte, war ihm bei vielen dieser bühnenbildartigen Großformate abhanden gekommen. Der dennoch erfolgreiche Künstler schied jetzt 7ljährig aus dem Leben, offenbar weil er wegen seiner Parkinson-Erkrankung nicht mehr malen konnte. Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac zeigte sich bestürzt und würdigte Buffet als großartigen Erzähler.
HNA 6. 10. 1999

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