Ein fast unbekannter Zeichner

Unter dem Titel „Zwischen göttlicher und menschlicher Komödie“ eröffnet der Kasseler Kunstverein morgen eine Ausstellung, in der Adolf Buchleiter seine künstlerischen Arbeiten vorstellt. Buchleiter, der bis Anfang der 90-er Jahre Professor für Gestaltlehre im Fachbereich Produkt Design der Gesamthochschule Kassel war, ist als Künstler ein weitgehend Unbekannter. In seinem näheren Umkreis wissen wohl viele von seiner Lust am Schöpferischen, auch haben oft genug die Arbeiten und Projekte seiner Studenten seine ins freie Künstlerische zielenden Kräfte gespiegelt, doch das, was er auf diesem Gebiet schuf, blieb fast vollständig verborgen.
Allerdings sind im Vorfeld der Ausstellung im Kunstverein zwei Bücher erschienen, die dokumentieren, wie systematisch und auch beispielhaft Buchleiter die Auseinandersetzung mit der Zeichnung suchte. Der Band „Die gezeichnete Stadt“ ist doppelbödig angelegt: Buchleiter hat 35 historische Stadtansichten aus dem 17. bis 19. Jahrhundert überzeichnet. Der Ansatz zu diesen zeichnerischen Überblendungen ist kindlich, doch Buchleiter spitzte ihn so zu, dass neue Strukturen entstanden, spielerische Visionen zum einen, Alptraumbilder zum anderen.
Wenn Wasserburg (Inn) beispielsweise von einem Zelt oder Kegelberg überdacht wird, dann verwandelt sich die reale Stadt in ein Retortengebilde. In Einzelfällen wird das Stadtbild fast ausgelöscht und es triumphiert die düstere Buchleiter-Vision.
Während „Die gezeichnete Stadt“ eher die Buchleiter-Kenner anspricht, macht der Band „Der stille Reichtum der Erinnerung“ mit einem Zeichner vertraut, den man gerne früher und lauter im Kunstdialog gehört hätte. Der Zeichner selbst spricht in seiner Einleitung von einer düsteren Grundstimmung. Doch so düster ist die gar nicht, wenn man davon absieht, dass der Zeichner gern zu dunklen Farben greift. Die Bilder, die sich manchmal bis in die Randzonen der Malerei bewegen, sprühen vor Kraft und Urwüchsigkeit. Manchmal sind es ganz simple Kopfformen oder archaisch-kindliche Gestalten, denen man begegnet. In anderen Fällen löst sich die Bildsprache in die gezeichneten Strukturen auf. Doch selbst in diesen fast ungegenständlichen Bildern fühlt man die urtümlich gestaltende Kraft.
HNA 3. 12. 1999

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