Horst Brunsiek (Jahrgang 1944) gehört zu den Stillen im Lande. Er hält sich im Hintergrund, seine Bilder geben sich ebenso unauffällig. Fast scheint es so, als würde seine Malerei in den Bildern verschwinden: Keine leuchtenden oder kontrastierenden Farben und keine von weitem erkennbaren Formen. Weiße Bilder auf weißer Wand. Was gibt es da zu sehen?
Brunsieks Malerei ist nicht für den schnellen Durchgang. Sie ist auch nicht nur meditativ. Der Maler fordert von sich (und den Betrachtern) vielmehr das Äußerste an Aufwand und Konzentration; er sucht genau den Punkt, an dem Vielfarbigkeit in einem Werk entstehen kann, das nur von einer Farbe (Weiß) beherrscht wird. So malt er auf Aluminium-Platten in die weißen Flächen Formen (Quadrate, Rechtecke) in rotem, gelbem, blauem und grünem Weiß hinein.
Wie man in einem dunklen Raum die Augen erst an die Abwesenheit des Lichts gewöhnen muss, um Dinge zu erkennen, so muss man längere Zeit in die Fülle des Lichts (des Weiß) hineinschauen, um die Nuancen auszumachen und die Malerei in und unter der dominierenden Farbe wahrzunehmen. Hat man aber die kalten und warmen Farbtöne, das südliche Rosa und das nördliche Blau, fixiert, dann werden die Bilder wie von selbst bunt. Das Spiel der Augentäuschung beginnt, die Farbtöne scheinen sich wie Wolken über die Bildflächen auszubreiten.
Horst Brunsiek hat auf diesem Weg zur minimalen Farbigkeit Meisterschaft erlangt. Während in den Bildern der Umgang mit der verdeckten Mehrfarbigkeit noch spielerisch und willkürlich erscheint, wird diese Vorgehensweise bei seinen kleinen konstruktiven Gipsobjekten funktional: Der Wechsel der Weißtöne verstärkt die plastische Wirkung und lässt eigenständige Licht- und Schattenzonen entstehen.
Einen Einblick in Brunsieks Schaffen vermittelt die Galerie Kunstraum Kassel (Brüder-Grimm-Platz 4). Dort ist auch eine Papierstudie zu sehen, die belegt, daß Brunsiek auch kraftvoll malen kann.
HNA 3. 5. 1993