Zum wiederholten Mal hat der Schriftzug-Entwurf für die Kasseler documenta für Irritationen gesorgt. Eigenwillige Signets sind, so zeigt der Blick in die Geschichte, ein Gestaltungsprinzip.
Wer in den 50er Jahren gestalterisch etwas auf sich hielt und beweisen wollte, dass er sich den überlieferten Formen widersetze, der griff zur Kleinschreibung. Dichter ließen ihre Verse ohne Punkt und Komma in kleinen Buchstaben drucken, und Schriftgestalter verdrängten aus Plakaten und Büchern die Großbuchstaben. So handelte Arnold Bode aus dem Geist der Zeit, als er sich 1955 gemeinsam mit Heinz Nickel und Ernst Schuh dazu entschied, mit dem Schriftzug „documenta“ für die Kunstschau der Moderne zu werben. Dabei konnten sie sich auch auf das Bauhaus berufen, das die Moderne beflügelt und sich auch für die Kleinschreibung stark gemacht hatte.
Bode und sein Team hatten bei der Erstauflage der documenta durchaus die Entwicklung eines Markenzeichens, eines Logos, im Sinn: Signalhaft setzten sie auf Plakaten und auf dem Katalog ein überdimensionales „d“ vor (und für) den Ausstellungsnamen. Für den reinen Schriftzug auf Katalogen und anderen Veröffentlichungen konnte aber kein Einheitsprinzip durchgesetzt werden.
Vier Jahre später war das Logo fast vergessen. Da wurde auf den Druckwerken lediglich mit „II. documenta“ geworben. Erst zur „documenta III“ besann sich Bode auf die Idee von 1955 und warb auf den Plakaten mit einem großen „d“, das durch drei kurze Querstriche (als römische Drei) ergänzt wurde. Dieses „d“ wurde aber nicht für die Kataloge übernommen.
Mit ihrer vierten Folge ver¬abschiedete sich die documenta erstmals von Nummerierung in römischen Zahlen: „4. documenta“ hieß es auf den Publikationen. Karl Oskar Blase, der für die Grafik verantwortlich war, übernahm aber auf den Plakaten die Logo-Idee Bodes. Ganz im Sinn der mit Zahlenbildern arbeitenden Popart schuf er das Signet „4 d“. Auch 1977 und 1987, als Blase zwei weitere Male das documenta-Erscheinungsbild gestaltete, blieb er der Logo-Idee mit seinen konstruktivistischen Entwürfen („d 6“ und „d 8“) treu. Dabei gelang ihm die Verknüpfung von Schriftzug und Signet am inningsten zur Ausstellung von 1977, wo er den Veranstaltungsort zum Bestandteil des Namens machte: „documenta 6 Kassel“. Fünf Jahre später griff Walter Nikkels diese Vorgabe mit „documenta 7 Kassel“ auf.
Erst vor, dem Hintergrund, dass Ecke Bonk für die „Docu¬menta11 “ Großschreibung ver¬ordnet, wird bewusst, dass es bereits zwei Ausbruchversuche gab. Als die Kunstnormen sich auflösten, ließ Ed Ruscha 1972 auf dem Plakat Ameisen den Ausstellungsnamen zu „documenta 5″ verzerren. Im Katalog 20 Jahre später ließen die poe-tischen Schwäne übersehen, dass mit ,,DOCUMENTA IX“ die Kleinschreibung umgangen wurde. Auch das Schwanen-Logo hatte damals viel Befremden ausgelöst.
Den heftigsten Widerspruch hatte im Vorfeld der „documenta X“ das Logo mit einem roten X vor einem schwarzen d hervorgerufen. Der Erfolg gab den Gestaltern (Büro X) recht. Das Logo wurde zum Renner.
HNA 4. Mai 2000
Das eigene Zeichen ist Prinzip
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