Erwartungen an die mhk.

Einen Monat ist es her, dass der Bergpark Wilhelmshöhe mit dem Herkulesbauwerk und den Wasserspielen in die Welterbeliste der Unesco aufgenommen wurde. Die Zuerkennung des Titels war die Frucht jahrelanger Bemühungen zur Erforschung, Beschreibung, Propagierung und Sicherung der Anlagen. Vor allem die vorsorgliche Anwendung der strengen Unesco-Maßstäbe bei der Gestaltung und Sanierung der einmaligen Verbindung von Naturlandschaft, Park, Wasserkunsttechnik, historischen Bauwerken und Museen trug zum Erfolg bei. Wir haben es geschafft! Diese freudige und stolze Feststellung erfüllt die Verantwortlichen. Sie sollen es auch genießen.

Allerdings geht die Arbeit jetzt erst richtig los. Die Sanierung insbesondere des Herkulesbauwerkes (Oktogonschloss und Kaskaden) muss mit aller Kraft vorangetrieben werden müssen, damit das Oktogon bis zum 300. Geburtstag der Anlagen im Jahre 2017 fertig ist. Dann sollte das Oktogon in Gänze zugänglich sein und das Herkulesbauwerk um eine Attraktion bereichern, deren Schönheit und Monumentalität die wenigsten kennen.

Die Vollendung des Oktogons wäre auch ein Anlass, über Arnold Bodes Traum nachzusenken, dieses Bauwerk für eine Ausstellung zeitgenössischer Kunst zu nutzen. Vielleicht hätte ja dann auch die neue documenta-Leitung Interesse an diesem Ort. Es wäre eine geradezu phantastische Vereinigung, wenn das barocke Welterbebauwerk 2017 mit der documenta zusammengeführt würde.

Völlig zu Recht hat die Expertenkommission empfohlen, bei der Bergpark-Herkules-Bewerbung die Einzigartigkeit der 300 Jahre alten Wassertechnik in das Zentrum zu stellen. Da die Wasserspiele jedoch nur in der Zeit vom 1. Mai bis 3. Oktober mittwochs und sonntags von 14.30 Uhr bis 16 Uhr zu sehen sind, ist es unvermeidlich, dass es zu diesen Terminen zum Massenansturm kommt. Denn alle wollen natürlich den Bergpark und seine Wasserspiele in der ganzen Pracht erleben. Das heißt andererseits: Besucher, die diese beiden Termine in der Woche verpassen, meinen, sie gingen leer aus (und kommen vielleicht nicht).

Die Museumslandschaft Hessen Kassel (mhk.) muss mit Hilfe des Landes und entsprechender finanzieller Unterstützung einen Ausweg aus dem Dilemma finden. Es muss ein Konzept entwickelt werden, das den Besuch des Bergparks auch außerhalb der Wasserspiele attraktiv macht und das bewirkt, dass die Besucher die Wasserspiele gar nicht vermissen. Dazu gehört etwa die Vorführung eines Dokumentarfilmes, der nicht nur Impressionen vermittelt, sondern genau die Stationen der Wasserspiele vorführt. Dieser Film wäre am besten im Schloss Wilhelmshöhe zu sehen – und sollte auch als DVD erhältlich sein.

Warum sollte das Schloss zum Ort der Vorführung gemacht werden? Weil es das Ziel der mhk. sein sollte, die Sammlung im Schloss mit dem Bergpark und dem Herkules zu verbinden. Es entstünde eine unvergleichliche Beziehung zwischen innen und außen. Als in den 60er-Jahren die Entscheidung fiel, das Schloss für die Gemäldegalerie und die Antikensammlung sowie für die Graphische Sammlung und Verwaltung wieder aufzubauen, war nicht recht zu sehen, was die Gemäldegalerie mit dem Bergpark zu tun habe.

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Das hat sich in den letzten Jahren verändert. Der Florasaal im ersten Stock der Gemäldegalerie wurde – mit Blickkontakt zu den Kaskaden und dem Herkules – zum Ort der Reflektion der barocken Bergparkgestaltung: In dem Saal wurden die acht Idealgemälde der Herkules- und Kaskadenanlage aufgehängt, die Jan und Rymer van Nickelen zwischen 1716 und 1730 schufen. Diese Gemälde helfen, die ursprünglichen (und nicht zu finanzierenden) Visionen mit der Wirklichkeit zu vergleichen. Außerdem wurden in dem Saal zwei Holzstatuen aufgestellt, die erst vor einigen Jahren im Oktogon geborgen wurden und die davon erzählen, dass ursprünglich zum Oktogon ein reiches Figurenprogramm gehörte.

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Es war eine gute Entscheidung, den Florasaal für diese Außenbeziehung zu öffnen. Jetzt, nach der Welterbe-Auszeichnung, müsste dieser Ansatz weiterverfolgt werden. Aus der Antikenabteilung sollten die Herkules-Statuen (darunter der überlebensgroße Gips-Abguss) in den räumlichen Zusammenhang mit den Nickelen-Gemälden geholt werden. Gleichzeitig sollten die Gemälde des 18. und 19. Jahrhunderts, die das Schloss und den Bergpark zeigen, aus der Neuen Galerie und aus dem Weißensteinflügel ausziehen, damit im Schloss eine spartenübergreifende Abteilung entstehen kann, die alles an Plänen, Objekten, Gemälden und Stichen vereinigt, was bildnerisch mit dem Welterbe zu tun hat – mit den Park- und Wasserspielvorbildern aus Italien, mit der Form und Geschichte des Herkules Farnese, mit den Plänen und Visionen des Giovanni Francesco Guerniero und der Malerfamilie Nickelen und mit den Nachbildern des 18. und 19. Jahrhundert. Ein erster Schritt auf diesem Weg wäre, wenn man die bereits zusammen gruppierten Herkules-Darstellungen aus der Antikenabteilung lösen und in die Nachbarschaft des Flora-Saals bringen würde.

Man würde eine große Chance vergeben, sollte dieser Gesamtzusammenhang in der Sichtbeziehung zum Bergpark nicht hergestellt werden. Bei einer größeren Umgestaltung innerhalb von Schloss Wilhelmshöhe wäre auch daran zu denken, diese Spiegelung der Parkanlage im Erdgeschoss einzurichten. Grundlage könnte dafür die Herkules-Ausstellung sein, die 1997 gezeigt wurde.

Auf jeden Fall müssten die didaktische Leitung der Besucher und die Werbung so ausgerichtet werden, dass derjenige, der die Wasserspiele, nicht aber die Abteilung im Schloss gesehen hat, erkennt, dass er das Welterbe nur zur Hälfte kennen gelernt hat. Umgekehrt sollten diejenigen, die die Wasserspiele nicht erleben konnten, das Gefühl haben, reichlich viel über sie und das Gesamtprojekt erfahren zu haben.

Als 2003 der Startschuss zum Umbau der Museumslandschaft Hessen Kassel gegeben wurde, hieß es, Schloss Wilhelmshöhe solle zum fürstlichen Kosmos ausgestaltet werden. Dabei gab es die Idee, die Antikenabteilung in den Kirchflügel zu verlagern und das Erdgeschoss des Mittelbaus zu einem visuellen Vorwort für die Museumslandschaft werden zu lassen. Das ließe sich vor dem Hintergrund der Welterbe-Zuerkennung nun wunderbar umsetzen. Das Erdgeschoss würde wie eine eigenständige Abteilung Kunstschätze zur Wilhelmshöhe, zum Bergpark und zum Herkulesbauwerk vereinen.

Recht schnell müsste ein Logo für das Welterbe-Objekt in Auftrag gegeben werden – und zwar eines, das unübersehbar die Herkulesfigur bzw. den Oktogonumriss einschließt. Dieses Welterbe-Logo sollte auf den aufzustellenden Hinweistafeln an den Autobahn-Abfahrten, am ICE-Bahnhof und an den Bussen und Straßenbahnen, die zum Bergpark fahren, zum Leitsymbol werden. Das Logo sollte auch das geplante Wegeleitsystem im Bergpark schmücken und es sollte auf allen offiziellen Publikationen zum Welterbe zu sehen sein. Mit der Vergabe der Nutzungsrechte am Logo könnte auch sichergestellt werden, dass unter dem Motto Welterbe kein Unsinn publiziert wird.

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