Das war eine wirkliche Überraschung, wie sich das Fridericianum anlässlich der Museumsnacht präsentierte. Ursprünglich hatte man gedacht/gehofft, die Kunsthalle würde ihre erste Ausstellung (nach der documenta-Pause und nach dem Gastspiel der Jordaens-Ausstellung) zur Museumsnacht eröffnen können. Doch das war illusorisch, da die neue Kunsthallen-Leiterin, Susanne Pfeffer, erst im Mai ihre Arbeit beginnen konnte und personell und inhaltlich bei Null beginnen musste. Es ist schon eine Meisterleistung, dass die Eröffnungsausstellung „Spekulationen über Anonymus Materialien“, in der 23 künstlerische Positionen präsentiert werden, am 28. September beginnen kann.
Nun war angekündigt worden, zur Museumsnacht würde sich die Kunstalle mit einer (kleinen) Inszenierung vorstellen. Von wegen. Was da gestern am Nachmittag und Abend zu besichtigen war, war eine Ausstellung in progress. Erstmals überhaupt in der Geschichte dieses Hauses wurden die Besucher mit einer Werstattschau vertraut gemacht, die zu der Ausstellung hinführt. Was aber noch viel stärker faszinierte, war die Tatsache, dass Susanne Pfeffer der Kasseler Kunstwelt vorführte, mit welch bescheidenen Mitteln (Gerüste, Paletten, PCs, Bildschirme und Beamer) sie die Ausstellungsräume in Besitz nehmen konnte und wie das, was man sah, fast schon Ausstellungsqualität hatte. Dieses Team kann inszenieren.
Die Besucher wanderten durch Räume, in denen die verschiedenen Aspekte der Kunsthalle und ihrer künftigen Ausstellung vorgestellt wurden. So konnte man sich in einem Raum mit den Mitarbeitern des Kunsthallenteams per Skype unterhalten. An der Wand war jeweils abzulesen, wann wer zum Gespräch zur Verfügung stehen würde. Dabei waren diese Gesprächspartner genauso so nah oder weit weg, wie Künstler, Kuratoren und Philosophen, die an anderen Stationen der „StudioVisits@Night“ per Skype zu sprechen waren, aber zu dem Zeitpunkt irgendwo in der Weltgeschichte unterwegs waren.
Da – auch wegen der Zeitzonen – nicht alle live zu sprechen waren, gab es auch Bildschirmplätze, an denen man sich aufgezeichnete Gespräche zwischen Künstlern und kuratorischen Mitarbeitern anhören konnte. Man lernte auf diese Weise ein wenig die Künstler kennen, ihre Denk- und Arbeitsweisen und sah auch bereits einige konkrete Kunstprojekte.
In einem kleineren Raum waren Bücher auf den Boden gestreut. Man konnte sich hinsetzen und auszugsweise lesen, um die Ausstellungsthematik einen Blich zu werfen.
Wer sich viel Zeit nahm, konnte tief in die Ausstellungsvorbereitung eintauchen. Entscheidend an diesem gelungenen Experiment war die Tatsache, dass diese Inszenierung die Räume nutzte und füllte und große Erwartungen mit Blick auf die Eröffnung weckte. Vielversprechend auch die Tatsache, dass gleich ein abgestuftes Kinderprogramm angeboten wurde und spätabends zur Party eingeladen wurde.
Susanne Pfeffer führte vor, dass sie mit einem Konzept antritt, das bis ins Detail durchdacht ist. Ihre Farbe ist Lila. In einigen Räumen lagen lilafarbene Teppichböden, und alle Teammitglieder trugen lilafarbene T-Shirts, auf denen hinten „Fridericianum“ zu lesen war. Lila ist auch die Leitfarbe auf der Homepage.
Zu der Neuerung gehört auch, dass die Kunsthalle Fridericianum jetzt nur noch Fridericianum heißt. Einst war der Kunsthallenbetrieb unter dem Titel „Museum Fridericianum“ (so wie das Gebäude traditionell heißt) begonnen worden. René Block führte dann ein, dass der Ausstellungsbetrieb außerhalb der documenta unter dem Titel „Kunsthalle Fridericianum“ läuft. Nun aber fällt für den Ausstellungsbetrieb der Zusatz Kunsthalle weg. Bleibt allein der geschichtsträchtige und wertneutrale Begriff „Fridericianum“. Fridericianum wie F.