In einer Serie stellen wir die Kunstwerke vor, die aus einer documenta angekauft wurden und im Stadtraum zu finden sind. Wir beginnen mit Jonathan Borofskys „Man Walking to the Sky“.
1992 herrschte Auf¬bruchstimmung in der Stadt. In das optimistische Gefühl passte das Werk des Amerikaners Jonathan Borofsky, das vom Tag seiner Aufstellung an die Herzen vieler Kasseler eroberte. Borofsky hatte zur documenta IX ein 25 Meter langes Stahlrohr anfertigen lassen, das mit einem Neigungungswinkel von 65 Grad auf dem Friedrichsplatz aufgestellt wurde. In zwei Drittel Höhe des Rohrs wurde eine kräftig schreitende Figur aus Fiberglas befestigt. Dieser Maschinenmensch schien unauf-
haltsam zu sein.
Auf Anhieb hatte der Mann seinen Namen weg: „Himmelsstürmer“. Überhaupt hatte Borofsky, der schon 1982 an der documenta mit seinen Hammermännern beteiligt war, mit seiner Arbeit den Erwartungen entsprochen: Ein Kunstwerk, das man versteht, das beschwingt und das Stadtbild prägt.
Dabei hatte Borofsky seine Skulptur „Man Walking to the Sky“ nicht unbedingt heiter gemeint. Der Mann, der da vorwärts schreitet, wirkt aus der Nähe wie eine Figur aus den
Computerspielen. Er hat etwas Unerreichbares. Außerdem ist für Borofsky längst nicht ausgemacht, ob der Mann unaufhaltsam auf dem Weg nach oben ist oder nicht bald das Ende des Rohres erreicht und dann abstürzt. Wie man die Figur versteht, lässt der Künstler offen.
Die spontane Begeisterung für die Arbeit von Bo¬rofsky ließ noch während der documenta IX eine von der HNA unterstützte Bürgeraktion mit dem Ziel in Gang kommen, die Skulptur für Kassel zu erwerben. Durch Telefonkartenverkauf, andere Spenden- und Verkaufsaktionen sowie durch Zuwendungen von Sponsoren und vom Land wurden die notwendigen 620 000 Mark aufgebracht.
Natürlich hätten viele Kasseler hebend gern den „Himmelsstürmer“ in der Innenstadt auf dem Friedrichsplatz behalten. Da der aber als Spielraum für die nachfolgenden documenta¬Ausstellungen frei bleiben soll, musste ein Umzug eingeplant
werden. Nach einem längeren Standort-Streit erwies sich der Platz vor dem Kulturbahnhof als gute Lösung. Er wäre sogar ideal, würde das Stahlrohr nicht an einer an einen Vorgarten erinnernden Fläche herauskommen.
HNA 29. 3. 2002