Bald ohne volkseigene Mäzene

Während die Bundesrepublik in den letzten 30 Jahren einen Museumsboom erlebte, hat die DDR in den 40 Jahren ihrer Geschichte nur wenige neue Museen geschaffen. Die Neugründungen erfolgten nach bildungspolitischen Gesichtspunkten, nämlich jeweils im kulturellen Niemandsland.

Auch die Industrie- und Bezirksstadt Gera gehörte zu den Gewinnern: Im ehemaligen Orangerieschloss wurde 1981 eine Kunstgalerie eingerichtet, in der an Hand ausgewählter. Werke die Malerei seit dem 15. Jahrhundert studiert werden kann.

Die Sammlung wurde weitgehend aus Dauerleihgaben der großen Kunstmuseen der DDR zusammengestellt. Dazu kommen einige Geraer Bestände, allen voran 14 Gemälde und zahlreiche Grafiken von Otto Dix, der hier als Sohn der Stadt in hohen Ehren gehalten wird.
Profil gewonnen hat die Kunstgalerie Gera jedoch in ganz anderer Hinsicht: Systematisch wurden Handzeichnungen der DDR gesammelt. Mittlerweile sind 1311 Blatt zusammen, in sechs (für DDR-Verhältnisse öpulenten) Katalogen dokumentiert:

Aus unserer Sicht ungewöhnlich ist das Zustandekommen der Sammlung: In regelmäßigen Abständen veranstaltete die Kunstgalerie sogenannte Stiftermessen. Zu diesem Zweck suchten die Mitarbeiter der Galerie in den Ateliers der Künstler Zeichnungen aus, die sie für geeignet hielten. Die ausgewählten Arbeiten wurden den potentiellen Mäzenen in einer (internen) Ausstellung vorgeführt. Die Stifter waren in erster Linie die VEBs und LPGs, die volkseigenen Betriebe und die Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, die Bezirksvorstände der SED und die anderen Blockparteien, die Gewerkschaft und der FDJ, aber auch Redaktionen und Privatpersonen. Sie alle kauften für die Galerie Handzeichnungen an. Einige Zeit später wurden die Neuerwerbungen, jeweils durch einen Katalog begleitet, in einer Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert. Gleichzeitig wurden damit auch die Stifter öffentlich gemacht.

Diese Ankaufspraxis wurde zwar für Gera als eine Neuheit gefeiert, sie war aber in der DDR keineswegs einmalig, denn die Ausstattungs- und Ankaufsetats vieler Museen sind verschwindend gering. So ist es zur guten Übung geworden, dass große Betriebe als Paten fungierenund gezielt Ankäufe ermöglichen. Das Erfurter Angermuseum beispielsweise hat vornehmlich mit Hilfe der VEBs seine Sammlung ausbauen können. Auch finanzieren die Betriebe häufig die örtlichen Kulturhäuser. Kein Wunder, dass nun, da alles für eine Umstrukturierung der DDR-Wirtschaft spricht und da die Parteien und Gewerkschaften sich wegen ihrer Mittelvergabe verantworten müssen, die Museen fürchten, ihre Mäzene zu verlieren.
Wo Kunststiftung nicht mehr selbstverständliche gesellschaftliche Pflicht ist, sondern persönliches Engagement voraussetzt, kann leicht die materielle Basis verlorengehen. Besorgt fragen die Museumsleute: Werden die Betriebe, wenn sie sich marktwirtschaftlich umorientieren, auch weiterhin Förderer der Kunst bleiben? Wohl kaum. Wer aber tritt an deren Stelle?
Den Kunstschaffenden in der DDR bläst derzeit der Wind hart ins Gesicht. Zwar sind die meisten erleichtert, dass sie von der staatlichen Bevormundung befreit sind, doch bekommen sie auch von anderen zu spüren, dass sie jahrelang eher zu den: Privilegierten gehörten: Wer einmal als Künstler anerkannt und im Verband Bildender Künstler aufgenommen war, brauchte um seine Existenz nicht mehr zu bangen, auch wenn er gelegentlich die vorgeschriebene Route verließ.
Die neue Zeit birgt für die Museen nur dann eine aussichtsreiche Zukunft, wenn die Etats auf stabilere städtische oder staatliche Fundamente zur Grundversorgung gestellt werden.
HNA 3. 2. 1990

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