Um sich selbst finanziell zu entlasten und doch ihre Museen zu sichern, schlug die Stadt Gotha einen eigenwilligen Weg ein.
Einen in der Museumspolitik wohl einmaligen Weg fand die thüringische Stadt Gotha, um angesichts ihrer akuten Finanznot den Bestand ihrer fünf Museen kurzfristig zu sichern: Sie entließ alle rund 100 Museumsmitarbeiter aus ihren Arbeitsverträgen, setzte sie also formaljuristisch vor die Tür; um sie im gleichen Augenblick mit Hilfe der Nürnberger Anstalt für Arbeit als ABM-Kräfte (Arbeitsbeschaffungs-Maßnahmen) wieder einzustellen, Zwei Jahre lang kommen die Gelder für die Gothaer Museumsleute also aus Nürnberg, während die Stadt mit Hilfe der eingesparten Kosten Kindergärten und andere soziale Einrichtungen sichern will.
Die Museumsmitarbeiter sind, wie Verwaltungschef Claus Böhmert auf Anfrage gegenüber unserer Zeitung erklärte, diesen trickreichen Weg zuversichtlich mitgegangen. Zum einen vertrauen sie auf die Zusage der Stadt, nach zwei Jahren wieder in dauerhafte Arbeitsverhältnisse aufgenommen zu werden. Und außerdem honorieren sie das Bemühen der Stadt, keinen der Mitarbeiter wirklich zu entlassen: Dadurch, dass von der Aufseherin bis hin zum Direktor alle in
ABM-Kräfte umgewandelt wurden, wurde sichergestellt, dass die Arbeit bruchlos weitergehen kann.
Die Stadt Gotha hatte diese Notbremse gezogen, nachdem die Stellen nach westdeutschem Vorbild neu eingestuft und die Einkommen auf 60 Prozent des West-Einkommens angehoben worden waren. Diese Mehrbelastungen hätte. die Stadt nicht verkraften können.
Ob nach Ablauf der zwei Jahre alle 100 Museumsmitarbeiter wieder städtische Bedienstete werden, ist allerdings ungewiss. Noch immer setzt die Mu¬seumsleitung darauf, dass die Gothaer Sammlungen, deren zentraler Sitz das Barockschloss Friedensfein ist, eine Landeseinrichtung werden. Die Entstehung und die Geschichte der Gothaer Museen, spreche ebenso dafür wie deren heutige Bedeutung.
Das Gothaer Schlossmuseum hat längst auch international wieder einen guten Ruf erlangt, wie Böhmert betont. So wurde das Museum eingeladen, sich an den beiden großen spanischen Ausstellungen zur 500 Jahrfeier der Entdeckung Amerikas in Madrid und zu de Olympischen Spielen in Barcelona – mit einer Grafik-Schau „Deutsche Renaissance“ zu beteiligen. Immerhin zählt das Kupferstichkabinett des Museums mit seiner über 35 000 Blatt zählenden Sammlung zu einem der größten des Landes.
Auch der zielstrebige Ausbau und Umbau der Schausammlungen spricht für den ungebrochenen Optimismus der Gothaer Museumsleute. Durch die Einrichtung von Depot- und Verwaltungsräumen im bisher ungenutzten Dachgeschoß des Schlosses sowie durch den Aus¬zug des Museums für Regionalgeschichte aus dem Westturm soll Platz fürn neue Schauräume gewonnen werden. Einmal sollen die Münzsammlung und das Kupferstichkabinett Ausstellungsräume erhalten, zum anderen sollen wichtige Werke der Malerei endlich aus den Magazinen hervorgeholt werden.
Prinzip des Schlossmuseums soll es bleiben, in der Art und Weise der Präsentation zu¬gleich seine Geschichte, seine Entstehung aus der Kunstkam¬mer, zu illustrieren. So soll, wie Böhmert erklärte, in allen Ab¬teilungen der Kabinettcharak¬ter sichtbar bleiben.
29. 7. 1991