Nachruf: Jan Hoet setzte mit seiner documenta IX neue Maßstäbe
Kassel. Er konnte andere begeistern, weil er selbst von der eigenen Arbeit selbst begeistert war. Als die documenta IX im Juni 1992 ihrer Vollendung entgegen ging, da freute sich Jan Hoet wie ein Kind. Ja, so hatte er sich seine documenta erhofft. Dieser sinnlichen, aufs Körperhafte ausgerichteten Kunst konnte man sich doch nicht entziehen, meinte er. Und wenn sein Gegenüber trotzdem Zweifel hatte, dann redete er auf ihn so lange ein und blickte ihn so bezwingend in die Augen, dass schließlich doch der Funke übersprang.
So war es kein Zufall, dass er als erster documenta-Leiter fast immer vor Ort war, mit Gruppen diskutierte oder sie durch die Ausstellung führte. Er lebte mit seiner documenta und hatte wesentlich Anteil daran, dass die Ausstellung mehr als 600000 Besucher anlockte.
Lange bevor Jan Hoet zum documenta-Leiter berufen wurde, hielt er im Kunstverein einen Vortrag über Sinn und Unsinn der Großausstellungen. Er hatte gut reden, denn kurz zuvor hatte er in Gent unter dem Titel „Chambres d’amis“ Künstler eingeladen, ihre Werke in vier Dutzend Wohnungen zu zeigen. Aber trotz der Absage an die große Schau sprengte Hoets documenta IX alle Dimensionen.
So viel Platz hatte zuvor keine documenta beanspruchen können. Neben dem Fridericianum stand erstmals die documenta-Halle zur Verfügung. Ferner konnten das Ottoneum und die Neue Galerie bespielt werden, und zusätzlich gab es temporäre Pavillons in der Aue. Sensationell war die Inszenierung in der Neuen Galerie, denn dort konnten Künstler mit ihren Werken die bestehende Sammlung kommentieren. Und im Zwehrenturm präsentierte Hoet jene historischen Werke, die die Basis der aktuellen Ausstellung bildeten. Unter den Künstlern nahm Bruce Nauman eine Schlüsselrolle ein. Seine Video-Installation mit ihren klagenden Rufen wurde zum zentralen Erlebnis im Fridericianum.
Die Kasseler Öffentlichkeit, bis dahin eher in Reserve zur documenta, ließ sich anstecken und genoss die Ausstellung mit ihren populären Werken wie Jonathan Borofskys „Man walking to the sky“ (Himmelsstürmer), Thomas Schüttes „Die Fremden“ oder Mo Edogas „Signalturm der Hoffnung“. Borofskys Skulptur (heute vor dem Kulturbahnhof) und Teile von Schüttes Arbeit (auf dem Portikus am SinnLeffers-Gebäude) blieben ebenso in Kassel wie Per Kirkebys Backsteinbau an der documenta-Halle.
Teile der überregionalen Kritik verstanden den Popularitätsschub der documenta als ein Abgleiten ins Zirkushafte. Zusätzliche Nahrung erhielt die Kritik dadurch, dass die erstmals gewonnenen Sponsoren zu stark in der Ausstellung präsent waren. Außerdem rieben sich viele daran, dass Jan Hoet selbst in einigen documenta-Beiträgen auftauchte.
Keine Überzeugungskraft hatte Hoets Versuch, den heftig befehdeten Treppenbau auf dem Königsplatz aus dem kommunalpolitischen Streit herauszunehmen und nach einigen kosmetischen Eingriffen zum Kunstwerk zu erklären. Die Treppe wurde dann doch abgerissen. Gleichwohl blieb Jan Hoet Kassel und der Region verbunden. Zum Expo-Projekt „3 Flüsse – 3 Räume“ realisierte er in Hann. Münden ein internationales Skulpturenprojekt, und in Kassel gehörte er bis zu seinem Tod dem Kuratorium der Stiftung „7000 Eichen“ an.
Die Kunst populär gemacht
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