Geist und Macht

Das Ringen um Heine-Denkmäler in Düsseldorf und Hamburg
Schon bald nach des Dichters Heinrich Heines Tod im Jahre 1856 begann ein edler Wettstreit zwischen seiner Geburtsstadt Düsseldorf und Hamburg, der Stadt seiner bitteren Lehrjahre, um die Ehre, erster zu sein bei der Würdigung des geliebten Sohnes. Straßen und Plätze wurden nach Heinrich Heine benannt, Gedenkstätten und Denkmäler zu seinen Ehren errichtet, und im folgenden Jahrhundert wurde gar eine Universität nach ihm benannt. Kurzum, der Dichter wurde so beliebt und volkstümlich, dass endlich die Düsseldorfer Karnevalisten
ihm anlässlich seines 125. Todestages ihren Rosenmontagszug widmeten: Ich weiß nicht, was soll es bedeuten …
Natürlich ist dies ein deutsches Märchen; lediglich der Schluss ist nicht frei erfunden. Es stimmt allerdings auch, dass Düsseldorf und Hamburg in ihrem Verhältnis zu Heine aufs Engste verschwistert sind. In kaum einem anderen Fall hat die biographische Verknüpfung eines Dichterlebens mit zwei Städten zu derart anhaltenden Auseinandersetzungen geführt.

„Ich werde wahrscheinlich die Zahl jener edelsten und größten Männer Deutschlands vermehren, die mit gebrochenem Herzen und zerrissenem Rock ins Grab steigen. In Düsseldorf wird mir dann wohl ein Monument gesetzt werden“, schrieb Heinrich Heine 1837, Prophetie und spöttische Vision
verbindend. Wahrscheinlich hätte er in dem rund 100jährigen Krieg um Heine-Denkmäler die bissigsten Glossen geschrieben. Dabei hat der andauernde Streit um die Frage, ob, wie und von wem denn nun dieser brillante kritische Geist in Stein, Marmor oder Bronze gewürdigt werden solle, ein derartiges Eigengewicht erlangt, dass selbst in unserer Zeit, in der eigentlich Wille und Fähigkeit zum Denkmal abhanden gekommen sind, die Errichtung eines Haine-Denkmals wie ein unverzichtbares Ziel erscheint.

Wir wissen längst, dass mit Gedenkstättenoder Einrichtungen wie dem Düsseldorfer Heinrich-Helne-Institut heute Heine weit besser zu ehren ist als durch ein stummes Denkmal. Und doch wird noch immer um die Monumente gefochten. Vielleicht sind es Trotz und der Wunsch, diese lange und traurige Geschichte mit einer späten Genugtuung zu beenden, die den Willen zum Denkmal mit stets neuer Kraft beleben. Angefangen hatte alles 1887, als Paul Heyse in der Düsseldorfer Presse für die Errichtung eines Heine-Denkmals warb. Die Idee fiel auf fruchtbaren Boden und schien zum Plan zu reifen, als die österreichisehe Kaiserin Elisabeth, eine Heine-Verehrerin, anbot, der Stadt Düsseldorf ein Heine-Denkmal zu schenken. Ein „Comiree zur Errichtung eines Heine-Denkmals in Düsseldorf“ trieb den Plan voran, und der Berliner Bildhauer Ernst Herter stellte drei Entwurfszeichnungen her.

Gleichzeitig ging aber in der Öffentlichkeit ein Sturm der Entrüstung los, in dem sich nationalistische und antisemitische Vorstellungen verbanden. „Kein Denkmal diesem Marine, der in so gemein unflätiger Weise über alles, was uns heilig ist, über unser Vaterland, Deutschland und unser Hohenzollernhaus in allen seinen Gliedern herzog“, hieß es unter anderem in der entfachten Pressekampagne. Und doch hatten die Düsseldorfer Stadtväter den Mut, für das Denkmal einen Platz im Hofgarten bereitzustellen.

Zu dem öffentlichen Protest kam massiver Druck des deutschen Kaiserhauses: Elisabeth nahm schon bald Abstand von ihrem Angebot und Düsseldorfs Oberbürgermeister Lindemann zog sich aus dem „Comitee“ zurück. 1893 wurde die fünf Jahre zuvor erteilte Genehmigung für die Errichtung eines Heine-Denkmals von der Stadt Düsseldorf zurückgenommen. Begründung: Dort stehe ein Kriegerdenkmal, in dessen Nähe nicht gut eines von Heine passe. Damit war für Düsseldorf der Fall erst einmal erledigt, nicht aber für Österreichs Kaiserin. Während man in Heines Geburtsstadt ein (allegorisches) Denkmal bevorzugt hätte mit Loreley, einer Nixe und einer Elfe als Hauptfiguren, neigte Elisabeth zu einem Bild des Dichters selbst. Der in Rom lebende dänische Bildhauer Hasselriis schuf für sie ein solches Monument, das Heines Neffe Ludwig von Embden so beschrieb: … es „stellt denselben sitzend, in dem letzten Stadium seiner unheilvollen Krankheit dar, mit nach vorn geneigtem Haupte und geschlossenen Augen, denen Tränen entquilIen … “

Kaiserin Elisabeth ließ dies rührende Monument der Verklärung auf ihrem Besitz auf Korfu errichten. (Das Hertersche Loreley-Denkmal, das Düsseldorf zugedacht war, wurde übrigens ebenfalls ausgeführt und 1898 im Auftrag der Amerika-Deutschen in New York aufgestellt.)

Doch der Glaube, dass so fern vom Reich Heines Monument vor deutschnationalem Zugriff sicher sei, war falsch. Der Besitz der Elisabeth fiel nämlich nach deren Ermordung (1898) an den deutschen Kaiser Wilhelm II. Und der wollte Heine nicht in seiner Nähe haben. Wilhelm II. verkaufte
das Monument und leitete damit eine beispiellose Irrfahrt des Denkmals ein: Der Verleger der Heine-Werke, Julius Campe, erwarb für 10 000 Goldmark das Monument, um es seiner Heimatstadt Hamburg zum Geschenk zu machen. Doch ein „gebrauchtes“ Denkmal wollten die Hamburger nicht, und so ließ Campe das Bildwerk auf privatem Grund in einer arkadenartigen Anlage aufstellen. Dort blieb es keine 20 Jahre; denn als immer häufiger nationalsozialistische Gruppen das Monument zu beschmieren und zu zerstören suchten, wurde es nach Altona umgesiedelt. Im Sommer 1939 schließlich wurde das von der Nazi-Zerstörungswut bedrohte Denkmal auf Initiative einer Campe-Tochter per Schiff ins französische Toulon geschafft. Dieses Exil sollte ihm zur endgültigen Heimat werden.

Immerhin hatte Harnburg sieben Jahre lang zwei Helne-Denkmäler besessen. Das zweite, das offizielle, wurde sogar als Nationaldenkmal begriffen. Der Anstoß dazu war 1909 aus Berlin gekommen – von Männern wie Alfred Kerr, Hugo von Hofmannsthal und Gerhart Hauptmann. Max Klinger sollte der Schöpfer sein. Doch wie zwanzig Jahre zuvor in Dusseldorf rief dieser Plan eine Flut empörter Pamphlete hervor. Erst in den 20er Jahren hatten Alfred Kerr und seine Mitstreiter Erfolg. Allerdings war nicht mehr Max Klinger der ausführende Künstler, sondern Hugo Lederer, der einige Jahrzehnte zuvor in Hamburg das herrische Bismarck-Denkmal ge schaffen hatte. Lederers Bronzefigur des stehenden jungen Heine wurde 1926 im Hamburger Stadtpark von Kerr triumphal enthüllt. Der Kampf um Heine war gewonnen – bis 1933, als das Denkmal „dieses volksfremden Künstlers“ erst eingemottet und später eingeschmolzen wurde.

Ende der 20er Jahre fassten auch die Düsseldorfer Heine-Kämpfer wieder Mut. Man unternahm einen neuen Anlauf, schrieb einen Wettbewerb aus und entschied sich 1932 für Georg Kolbes Entwurf „Knieender Jüngling“. Doch ehe die Bronze-Plastik fertig und aufgestellt war, kamen die Nationalsozialisten an die Macht. Wieder einmal hatte es Düsseldorf nicht geschafft. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Helne-Diskussionen frei von den altbekannten nationalistischen und antisemitischen Vorurteilen. Vorbehalte gegenüber dem Kritiker Heine allerdings wurden immer wieder wach. Dazu kamen in der Denkmals-Auseinandersetzung noch zusätzliche, nämlich künstlerische Vorbehalte. Es schien einfach nicht mehr möglich, eine jugendlich-heitere oder Tränen herauspressende Heine-Figur in die Landschaft zu stellen. Diese Formensprache war zu hohl geworden. Auch Versuche, ins Allgemeine weisende, sinnbildliche Plastiken einfach zum: Heine-Denkmal zu . erklären (so geschehen mit einer Maillol-Skulptur im Düsseldorfer Hofgarten) können nur als missglückt gelten.

Nun aber hat es den Anschein, als werde der leidige Haine-Krieg friedlich und unter Einbringung aller Vorbehalte auch befriedigend beigelegt. In diesem Fall liegt sogar einmal Düsseldorf vorn – dank eines Mäzens und des Künstlers Bett Gerresheim. Die Stadt nahm die Schenkung gerne an und stellte den Schwanenmarkt als Aufstellplatz zur Verfügung.

Gerresheims Arbeit wird die dreifache Gebrochenheit spiegeln: das gebrochene Schicksal des Dichters, das gebrochene Verhältnis der Deutschen zu ihm und endlich das gebrochene Verhältnis unserer Zeit zum Denkmal überhaupt. Es wird eine begehbare plastische Landschaft entstehen, die zum Nachdenken in viele Richtungen provoziert. Am 17. Februar 1981, dem 125. Todestag Heines, soll das Monument eingeweiht werden.
Auch in Hamburg ist etwas in Bewegung geraten. Doch die Umsetzungschancen sind derzeit noch gering, weil hier die Heinrich-Heine-Gesellschaft und die Heine-Denkmal-Initiative gleich einen Frontalangriff planen: Sie befürworten zwar die Wiederverwendung des Lederer-Entwurfs von 1926, wollen aber, dass der historische Konflikt um Heine und seine Denkmäler mit einbezogen wird. Außerdem wünschen sie, dass Heine nicht irgendwo harmonisch versteckt, sondern im Zentrum präsentiert wird – in Frontstellung zu einem umstrittenen Krieger-Denkmal von 1936. Dem Denkmal mit der Inschrift „Deutschland muss leben und wenn wir sterben müssen“ sollte dann jenes mit der Heine-Zeile „Denk ich an Deutschland … “ gegenüberstehen. Eine Denkmal-Landschaft würde entstehen, die das Missverhältnis von Macht und Geist in seiner konkreten historischen Dimension spiegeln könnte.

Wollen die Hamburger Initiatoren zu viel auf einmal? Fast scheint es so. Denn als Arie Goral von der Heine-Denkmal-Initiative vor kurzem im Museum für Hamburgische Geschichte bei einer Dokumentations-Ausstellung die Geschichte der Hamburger Denkmäler ausbreitete und für die neue Idee warb, hatte er nicht einmal öffentliche Mittel für ein Plakat erhalten.
RP 6. 9. 1980

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