documenta-Geschäftsführer geht – Schwerer Abschied

Eine Ära in der documenta-Geschichte geht zu Ende: Geschäftsführer Bernd Leifeld hat am Montag nach knapp 18 Jahren seinen letzten Arbeitstag und wird am Spätnachmittag des Freitags mit einem Empfang in den Ruhestand verabschiedet. Dass er seiner Nachfolgerin Annette Kulenkampff eine gut organisierte Geschäftsstelle und überzeugende Struktur für den Ablauf der documenta übergeben kann, ist vor allem sein Verdienst. Diese Struktur funktionierte so gut, dass er – bei allen Alltagskonflikten, die es immer wieder gab – mit den so unterschiedlichen documenta-Leitungen gut und erfolgreich zusammenarbeiten konnte. Wenn alle ihre Zusagen einhalten können, werden Okwui Enwezor (Documenta 11), Roger Buergel (documenta 12), Carolyn Christov-Bakargiev (dOCUMENTA (13)) und Adam Czymczyk (documenta 14) zu der Verabschiedung kommen. Das ist mehr wert als ein Bundesverdienstkreuz.
Bernd Leifeld ist der Geschäftsführer, der am längsten im Dienst war und der seine Position noch stärker professionalisierte. Er war als Retter in der Not nach Kassel gekommen. 1996 schien bei der Vorbereitung der documenta X alles schief zu laufen. documenta-Leiterin Catherine David hatte als erste Frau an der Spitze der Ausstellung sowieso einen schweren Stand. Viele trauten ihr den Job, die Kasseler Weltkunstschau zu meistern, einfach nicht zu. Außerdem hatte sie mit einigen unbedachten Äußerungen Teile der Kasseler Öffentlichkeit gegen sich aufgebracht. Zum großen Konflikt kam es aber, als documenta-Geschäftsführer Roman Soukup seine eigene Politik machte, sich mit der Kasseler Kulturdezernentin Irmgard Schleier überwarf und sich auch inhaltlich in die Ausstellungsplanung einmischen wollte. Es kam zum Bruch mit Soukup, und völlig überraschend wurde Bernd Leifeld als Nachfolger berufen. Leifeld war zwar in Kassel gut bekannt, denn er hatte Anfang der 80er Jahre als Schauspieldirektor am Staatstheater gearbeitet. Doch der Germanist und Theaterwissenschaftler hatte eine typische und erfolgreiche Theaterkarriere eingeschlagen. Nach einer Intendanz in Tübingen war er zuletzt Schauspieldirektor in Basel gewesen. Und ein Mann mit diesen Voraussetzungen sollte nun die Geschäftsführung der documenta übernehmen, sich nur um Personal, Etats und Sponsoren kümmern, ohne sich inhaltlich einzubringen? Skepsis war angebracht.
Gruppenfoto 4a documenta-Konferenz in Rivoli (Turin) 2009: Bernd Leifeld in mitten der documenta-Leiter(innen)
– von links nach rechts und oben nach unten: Roger Buergel, Okwui Enwezor, Rudi Fuchs, Jean-Chtophe Ammann, Bernd Leifeld, Manfred Schneckenburger, Catherine David, Carolyn Christov-Bakargiev und Jan Hoet.

Doch Leifeld bewies aller Welt, dass seine Berufung mehr als richtig war. Zu seinem Gelingen trug entschieden bei, dass er wirklich bis zum letzten Tag sich inhaltlich aus der Ausstellungsplanung raushielt. Er sah sich als den Mann, der das documenta-Machen ermöglichte. Dazu gehörte, dass er das Amt des Pressesprechers wahrnahm, solange die Ausstellungsmannschaft erst im Aufbau und noch kein/e Sprecher/in benannt war. Er ritualisierte den Findungsprozess für die künstlerische Leitung und sorgte dafür, dass weder Einflüsterungen aus der Politik noch aus der Kunstszene Wirkung hatten: Im Jahr nach einer documenta wurde eine internationale Findungskommission zusammengestellt, die bis November/Dezember dem Aufsichtsrat einen Vorschlag unterbreitete. Der Aufsichtsrat übernahm stets das Votum.
Leifeld sorgte auch für solide Finanzen. Wenn bei der jüngsten documenta die selbst erwirtschafteten Einnahmen deutlich höher waren als die Zuschüsse von der Stadt, vom Land und von der Bundeskulturstiftung, dann ist auch dies seiner Umtriebigkeit zu danken. Der finanzielle Erfolg wurde auch dadurch möglich, dass er ein überzeugendes Reglement für die Sponsoren entwickelte. Er schuf unterschiedliche Plattformen für die Sponsoren und erreichte, dass die Sponsoren in der Ausstellung selbst nicht in Erscheinung traten. Für sie wurden Sonderführungen und Exklusiv-Gespräche arrangiert, für sie gab es VIP-Lounges und anderes mehr, aber alles geschah außerhalb der Öffentlichkeit.
Nicht vergessen darf man, dass seit Beginn der 90er-Jahre zum Aufgabenbereich des Geschäftsführers auch der Betrieb der Kunsthalle im Fridericianum sowie der documenta-Halle gehört. Deshalb lautet die Amtsbezeichnung auch: Geschäftsführer der documenta und Museum Fridericianum Veranstaltungs -GmbH. Alle drei Aufgaben verstand Leifeld immer als eine gemeinsame, die das Ziel hat, die documenta zu ermöglichen und zu stärken und die Phasen zwischen den documenta-Ausstellungen einen hochrangigen Kunsthallenbetrieb zu sichern.
Vor diesem Hintergrund wird der Abschied von Bernd Leifeld schwer – auch wenn seine Nachfolgerin Kulenkampff als bisherige Geschäftsführerin des HatjeCantz-Verlages gute Voraussetzungen mitbringt. Schwer auch deshalb, weil manches noch nicht gelungen ist. So konnte Leifeld seine Idee einer documenta-Akademie nicht durchsetzen.

Auch wurde noch keine Lösung für den Umbau des documenta Archivs zu einem – für die internationale Forschung offenen – documenta-Institut gefunden. Ein solches Institut braucht mehr wissenschaftliches Personal, Arbeitsplätze für Besucher und Raum für Ausstellungen zur documenta-Geschichte. Vielleicht kann er daran weiter mitwirken. Immerhin gibt es Hoffnung, dass unter dem neuen Kunstminister Boris Rhein in dieser Hinsicht etwas passiert. In der Pressemitteilung des Landes zu Leifelds Abschied heißt es: „Wir fördern und ermöglichen die documenta als herausragende Kulturmarke. Wir wollen die documenta und ihre Geschichte auch zwischen stattfindenden Ausstellungen erlebbar machen. Hierzu soll das Archiv der documenta erschlossen und zu einem documenta-Institut unter Beteiligung von Bund, Land, privaten Sponsoren und der Stadt Kassel weiterentwickelt werden“, so Kunst- und Kulturminister Boris Rhein abschließend.

27. 3. 2014

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