Gemeinsam haben sie die Welt verändert. Sie haben die Vorstellung von Kunst erweitert und der Wirklichkeit zur Schönheit verholfen. Der aus Bulgarien stammende Christo und die Französin Jeanne-Claude, seit 43 Jahren ein Paar, werden heute in New York 70 Jahre alt.
Rückwirkend betrachten sie es als Fügung des Schicksals, dass sie durch ihre Geburt am selben Tag zum gemeinsamen Schaffen bestimmt wurden. Seit vier Jahrzehnten steht Jeanne-Claude an der Seite ihres Mannes, wenn er seine Ideen zu Großprojekten entwickelt und für deren Umsetzung kämpft. Seit der Verhüllung des Reichstages in Berlin im Jahre 1995 treten sie auch gemeinsam als Schöpfer ihrer Projekte auf.
Die Reichstagsverhüllung war deshalb das wichtigste Werk von Christo und Jeanne-Claude, weil es um die Überwindung zahlreicher politischer Vorbehalte ging. 24 Jahre lang hatte Christo für die Umsetzung gekämpft. Der Kampf schien schon verloren. Doch dann fiel die Berliner Mauer direkt hinter dem Reichstag, das Gebäude sollte für den Einzug des Bundestages umgebaut werden, und mit Rita Süssmuth stand eine Frau an der Spitze des Bundestages, die sich unermüdlich für das Projekt einsetzte.
Als dann der Reichstag durch die silbern glänzenden Stoffbahnen und die Verschnürungen umhüllt war und als eine neue skulpturale Form erschien, waren selbst Skeptiker begeistert. Hunderttausende ließen sich von der Atmosphäre der Fröhlichkeit und Leichtigkeit anstecken. Nein, Botschaften haben Christo und Jeanne-Claude nicht. Sie wollen lediglich den Menschen die Augen öffnen, ihnen vertraute Formen neu vorführen und der Welt zu mehr Schönheit verhelfen.
Christo, der 1958 durch eine Miro-Collage angeregt wurde, erst Alltagsobjekte,
später Luft, Gebäude, Brücken, Küsten und Taleinschnitte zu verpacken und zu
verhüllen, hat dazu beigetragen, den Kunstbegriff zu erweitern. Er führte der Welt
vor, wie sich Gebäude und Landschaften in Skulpturen verwandeln lassen.
Auch für das Errichten der 7500 Tore im New Yorker Central Park mussten die beiden 25 Jahre lang kämpfen. Aber dieser politische Kampf um die Genehmigung ist ebenso ein Bestandteil des Werkes wie die Prinzipien: Die Aktionen sind nur für einen klar begrenzten Zeitraum geplant, und sie werden ausschließlich von dem Künstlerpaar selbst durch den Verkauf der wunderschönen Entwurfsstudien und der Bildrechte finanziert. Über 20 Millionen Dollar hatte „The Gates“ in New York gekostet. Weder die öffentliche Hand noch Sponsoren gaben dafür Geld.
Ihren Durchbruch erzielten Christo und Jeanne-Claude 1968 in Kassel, wo es ihnen zur documenta 4 erst im vierten Anlauf gelang, ihr 5600-Kubikmeter-Luft-Paket über der Karlswiese aufzulichten. In Kassel wurden sie im Jahre 2000 für ihr Schaffen mit dem Bürgerpreis „Glas der Vernunft“ ausgezeichnet.
HNA 13. 6. 2005