Was gibt’s?

Kunst-Splitter 2

29. 12. 2016
Der FAZ war die Nachricht vom Tode des Bildhauers Reiner Ruthenbeck nur eine Meldung wert. Und in dem kurzen Nachruf nahm die frühe Fotografie des rheinischen Künstlers fast mehr Platz ein als sein eigentliches skulpturales Werk. Auch war der Tod des 79jährigen erst mit großer Verspätung gemeldet worden. Dabei war Ruthenbeck einer der wichtigsten deutschen Künstler in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gewesen.
Das Kunstforum hatte Ruthenbeck das Titelbild seines documenta-Heftes von 1992 gewidmet. Zu sehen war eine Fahrstuhlkabine im Fridericianum, die Ruthenbeck komplett in einen roten Raum verwandelt hatte. Der andere Fahrstuhl in der Rotunde des Fridericianums strahlte blau. Stieg man ein, wurde man von der Farbe überwältigt. Man wurde Teil eines Farbraumes, der sich vertikal bewegte. Diese skulpturale Arbeit bewegte sich an der Grenze zur Malerei – ebenso wie das Werk, bei dem zwei offene Lastwagen, deren Ladeflächen rot und blau eingefärbt waren und die sich gegenläufig auf der Straße bewegten.
Das tiefsatte Rot war seine Lieblingsfarbe. Mit Hilfe roter Kissen und Decken definierte er Räume neu. Oder ihm gelang es, mit Hilfe von Metallstäben oder Glasscheiben Stoffdreiecken plastische Formen zu geben. Immer wieder kehrte Ruthenbeck zu ganz einfachen Grundformen zurück, um aus ihnen zeichenhafte Raumarbeiten anzufertigen.
Das Elementare so zu gestalten, dass es sich von selbst mitteilt und verständlich macht, diesem Grundsatz folgte er auch 1982, als er drei Tisch-Objekte für die documenta 7 herstellen ließ: Es waren drei weiße Tische, denen jeweils eine farbige Form zugeordnet wurde: Eine blaue Aluminiumkugel steckte auf einer Ecke eines Tisches. Bei der zweiten Arbeit hing ein grüner Holzklotz unter einem Tisch. Und auf dem dritten Tisch wurde ein flaches braunes Holzobjekt mit Hilfe eines Seils auf der Kante in der Schwebe gehalten. Der Tisch mit dem darunter hängenden Holzklotz ist übrigens in der Neuen Galerie in Kassel geblieben.
Seinen ersten spektakulären Auftritt hatte Ruthenbeck 1972 in der documenta gehabt, als er ein saalhohes Stoffdreieck in eine schwebende Skulptur verwandelte.

1. 7. 2016

Es gibt Hochzeiten, die noch gar nicht zu Ende sind, aber schon den Weg zur Scheidung aufzeigen. Das gilt in diesem Fall für das documenta Archiv, dessen Leiter Dr. Gerd Mörsch Ende vorigen Jahres nach knapp eineinhalb Jahren Kassel verließ. Mörsch hatte viele gute Ideen, neigte aber dazu, sich zu verzetteln und die großen Perspektiven nicht genügend im Blick zu behalten. Auch kam er mit der Kulturverwaltung ins Gehege, weil er sich nicht genügend in die Hierarchie einordnete. Schade.

Aber der Wechsel brachte einen wirklichen Gewinn, denn zum 1. Juli übernahm Dr. Birgit Jooss die Leitung, die genau auf dem Feld des künstlerischen Archivs ausgewiesene Kenntnisse mitbrachte. Von ihr darf man kräftige Impulse zum Ausbau des Archis erwarten.

15. 7. 2015

Nun ist es endlich geschafft: Heute, am 60. Geburtstag der documenta, haben im Kasseler Rathaus die Stadt Kassel (Oberbürgermeister Bertram Hilgen) und das Land Hessen (Kunstminister Boris Rhein) einen Vertrag unterzeichnet, dass zum 1. Januar 2016 das documenta Archiv, das bisher von der Stadt allein getragen wurde, unter das Dach der documenta GmbH kommt und damit zur Hälfte unter die Verantwortung des Landes kommt.

Wichtigste Botschaft war: Der Neuordnung soll nur ein erster Schritt sein. Auf der Basis des Archivs soll ein forschendes documenta-Institut werden. Rhein sagte nochmals zu, die documenta-Gastprofessur um fünf Jahre zu verlängern.

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Das linke Bild zeigt (von links) Minister Boris Rhein, Oberbürgermeister Hilgen und documenta-Geschäftsführerin Kulenkampff.
Auf dem rechten Bild sind Boris Rhein, Annette Kulenkampff, Dr. Gerd Mörsch (Leiter des documenta Archivs) und Oberbürgermeister Hilgen zu sehen.
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Auf dem linken Foto sind Archivleiter Dr. Gerd Mörsch und seine Vorgängerin Karin Stengel zu sehen, rechts dann die Bode-Tochter und documenta-Künstlerin E.R. Nele

12. 7. 2015

Vier Gründe zu feiern:
Die documenta hat 60. Geburtstag
Das mediale Interesse an dem Ereignis ist ungemein größer als vor zehn Jahren die Feiern zum 50.
Zum Jubiläum wird endlich der Geburtsfehler behoben: Das als städtische Einrichtung 1961 gegründete documenta Archiv, wird am 15. Juli zum 1. 1. 2016 unter das Dach der documenta GmbH geholt, so dass künftig das Land Hessen die Mitverantwortung für das Archiv übernimmt.
Das Land Hessen zeichnet am 17. Juli in einer Feierstunde in der Alten Brüderkirche die bisherigen Gestalter der documenta mit dem Hessischen Kulturpreis aus. Den Preis erhalten gemeinschaftlich Arnold Bode, Harald Szeemann und Jan Hoet (posthum) sowie Manfred Schneckenburger, Rudi Fuchs, Catherine David, Okwui Enwezor, Roger Buergel und Carolyn Christov-Bakargiev.

documenta 60

Es zeigt sich, dass durch die beiden jüngsten Ausstellungen die documenta internatinal an Wertschätzung gewonnen hat.Die begleitenden Artikel zur Würdigung der documenta sind zudem über das Stadium des ewigen Verwunderns, warum das gerade in Kassel möglich sei, hinaus. Das Weltereignis wird gefeiert.
Die documenta GmbH richtet aus diesem Anlass zusammen mit der Kunsthochschule ein Symposium aus, an dem die documenta-Leiter(innen) David, Christov-Bakargiev, Enwezor und Buergel teilnehmen werden.

Die erste documenta wurde am 15. juli 1955 eröffnet. Da der 15. in diesem Jahr auf einen Mittwoch fällt, wird die große Feier (als ein Geschenk an die Kasseler Bürgerschaft) am Sonntag, 19. Juli, von 11 bis 19 Uhr stattfinden.
Folgende documenta-Künstler werden an den Veranstaltungen (Gespräche und Führungen) beteiligt sein:
Ugo Dossi – 12 Uhr Gespräch mit Angela Landgrebe, documenta forum, Untere Karlsstraße 8
Klaus Staeck – 13 Uhr Gespräch mit Martin Sonntag und Dirk Schwarze in der Caricatura, Kulturbahnhof
Timm Ulrichs – 14 Uhr, „IKON -KINO“, Kunsttempel, Stadthalle (5-Sekunden-Film)
Jürgen Klauke – 16 Uhr Galerie Coucou, Elfbuchenstraße, Interpassives Lauschen
Prof. Adrian von Buttlar, dessen Vater zum Bode-Team in den 50er und 60er Jahren gehörte, spricht über „Papas documenta“. Anschließend Gespräch mit dem Bode-Meisterschüler Pitt Moog
E.R. Nele – 16 Uhr im Gespräch mit Dirk Schwarze im Haus Untere Karlsstraße 8 (neben dem documenta Archiv)
Horst Hoheisel– 16 Uhr. Gespräch am Aschrottbrunnen (vor dem Rathaus).
Darüber hinaus bietet das documenta forum noch Führungen zum Penone-Baum mit Regina Oesterling um 14 und 16 Uhr an, Treffpunkt Rahmenbau.
Um 15 Uhr bietet Hans Eichel eine Führung zu documenta-Orten an, Treffpunkt Portikus, Fridericianum.
Daneben gibt es eine Fülle von Veranstaltungen.

Das Fridericianum präsentiert aus Anlass des 60. Geburtstages eine umfassende Ausstellung von Marcel Broodhaerst, der vier mal zur documenta eingeladen worden war.
Archiv – Institut

Das langfristig wichtigste Ereignis ist die Unterzeichnung des Vertrages zum documenta Arciv. So erleichtert alle documenta-Freunde sind, dass nun auch das Land Hessen sich zur Verantwortung für das documenta Archiv bekennt, so klar ist auch, dass dies nur der erste Schritt sein kann. Das Archiv braucht nicht nur ein paar zusätzliche Stellen zur Digitalisierung der Bestände und zur Einordnung der Akten. Wenn das Archiv im nationalen und internationalen Konzert der Institute zur Kunst der Gegenwart mitspielen muss, ist eine Verknüpfung mit Wissenschaftlern zwingend. Um zu einem documenta Instut zu werden, muss das Archiv völlig neu aufgestellt werden. Denn bisher gingen die meisten Impulse zu Forschungsarbeiten nicht vom Archiv aus.
Es müssen Mittel und Wege gefunden werden, den Bund oder Bundeseinrichtungen in die Fortentwicklung des Archivs zu einem Institut einbinden zu können. Längst sind nämlich in andere Institute höchst aktiv geworden. Die frühere Abtei Brauweiler (bei Köln) bietet sich aktiv Künstlern als Ort für die Bewahrung und Aufarbeitung ihrer Nachlässe an. Mittlerweile haben 30 Künstler Brauweiler ihre Nachlässe zugesagt. Das documenta Archiv verfügt gerade erst die Nachlässe von Arnold Bode, Harry Kramer, Hans Hillmann und den Vorlass von Floris Neusüss.

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