Noch wilder geht’s kaum

Internationaler Kunstmarkt Köln
Die junge wilde Malerei setzt ihren Höhenflug fort. So sehr auch etliche Kritiker gegen diese selbstbewußte, schnelle und expressive Malerei wettern, so hilflos müssen sie zusehen, wie von Jahr zu Jahr die Zahl der Geleristen größer wird, die zu dieser neuen Kunst überlaufen, sich mit ihr schmücken und mit ihr auch das große Geschäft machen wollen. Noch wilder als auf dem derzeitigen »Internationalen Kunstmarkt (bis 17. November in den Kölner Messehallen) kann es kaum zugehen so zahlreich sind die Messestände, an denen man die Bilder von Salome, Elvira Bach, Helmut Middendorf, Walter Dahn, K. H. Hödicke, Jörg Immendorff, Georg Baselitz, aber auch von den jungen Italienern und Franzosen sehen kann.
Sammlerinteresse Der Erfolg dieser Künstler entspringt einem breiten Sammlerinteresse an frischer, impulsiver und auch erzählender Malerei. Dies ist der dritte Kunstmarkt, auf dem man ungefragt zu hören bekommt, die junge Kunst habe nun ihren Scheitelpunkt erreicht, also gehe es jetzt mit ihr zu Ende; und zum dritten Mal gibt es effektiv keine Anzeichen für die Richtigkeit dieser Unterstellung. Vielmehr scheint es so, als ob die Kritikerfront abbröckele. So kaufte beispielsweise am Rande des Kunstmarktes Peter Iden für das in Frankfurt im Aufbau befindliche Kunstmuseum ein Triptychon des Berliners Helmut Middendorf; noch vor zwei Jahren hatte Iden auf einer ganzen Zeitungsseite die jungen deutschen Maler als „hochgemute Nichtskönner“ verdammt. Verkauft hat das Werk der Düsseldorfer Galerist Gmyrek, der ein Musterbeispiel dafür ist, wie ein Kunsthändler, der die Zeichen der Zeit erkennt, Mut zum Risiko und Gespür für Qualität hat, mit einer Erfolgswelle nach oben gespült werden kann: Innerhalb von drei Jahren enwickelte sich aus der Stadtrandgalerie einer der Marktführer. Pionier der jungen Szene ist der Kölner Galerist Paul Maenz, der diesmal seinen Stand ausschließlich Walter Dahn und Georg Dokoupil gewidmet hat. Beide Maler (einstmals „Mühlheimer Freiheit) demonstrieren, daß sie sich trotz der Erfolge noch frei genug für Ausbrüche in völlig andere Gestaltungsweisen fühlen. Dokoupil beispielsweise stellt ungemalte Bilder vor – Frotte-Collagen mit Reißverschlüssen und Knöpfen. Dokoupils Bilder kosten 6500 DM, die von Dahn 13 000 DM. Selbst ältere Künstler sind in den Sog der neuen Malerei geraten. So sieht man auf dem Gemeinschaftsstand der Berliner Galerien große Gemäle des Fluxus-Künstlers Wolf Vostell, der auf seine Art sich mit den Sprachmustern der jungen Szene auseinandersetzt. Das gemeinsame Auftreten der Berliner Galerien läßt übrigens das Kunstangebot dieser Stadt besonders massiv und lebendig erscheinen. Kennzeichnend für das Bild des Marktes ist der Stand der Münchner Galerie Thomas: Im Zentrum findet man in einem kleinen Kabinett Kostbarkeiten der klassischen Moderne, darunter ein Picasso-Ölbild („Liegender Akt und Männerkopf im Profil“) für 270 000 DM, Um dieses Kabinett herum ist die junge Kunst ausgebreitet, allen voran der Italiener Mimmo Paladino, für dessen großformatige Bilder hier 96 000 DM verlangt werden.
Mehr „Klassiker“ Aktuelle Szene und klassische Moderne sind die beiden Pole und Schwerpunkte des Kunstmarktes. Durch die etwas unübersichtliche Ausweitung des Kunstmarktes auf 152 Galerien sind die Anbieter der Klassiker stärker nach vorne gerückt. Man kan hier einen Picasso (Maler und Modell) für knappe 900 000 DM bewundern
(Galerie Gmurzynska), vorzügliche Bilder von Klee (280 000 DM/Galerie Wittrock) und man könnte im Zeichen des HeckelJubiläums ein regelrechtes Hekkel-Museum mimt besten Grafiken, Zeichnungen und Aquarellen zusammenkaufen, falls man ein paar Millionen DM zur Verfügung hätte. Man kann aber auch kleine Radierungen von Horst Janssen für zwischen 280 und 500 DM entdecken (Galerie Redies). Der Kunstmarkt dient dem Verkauf. Und doch ist dies mehr als eine Messe, auf der Kunst zur bloßen Ware wird. Vor allem die räumliche großzügige Selbstdarstellung eines modernen Kunstmuseums innerhalb des Marktes dämpft den Kommerz-Charakter. Dieses Mal präsentiert sich in der Sonderschau das dänische LouisianaMuseum mit einer hinreißenden Sammlung (Giacometti, Yves Klein, Dubuffet, Asger Jörn, Penck und viele andere).
Förderprogramm Das nach wie vor umstrittene und zuweilen schwer auffindbare Förderprogramm junger Kunst ist allerdings dem Ergebnis nach in diesem Jahr erfreulich. Man lernt im Bereich der neuen Plastik eine Fülle junger Talente kennen – Farbskulpturen von Hans Matthäus Bachmayer (Galerie van de Loo), bemalte Holzfiguren von Stephan Balkenhol (Löhrl), Drahtskulpturen von Frank Dornseif (Jöllenbeck), Jochen Fischers bemalte Holz-Metall-Installationen (Hachmeister), Ulrich Fleigs Terrakotta-Arbeiten (Lietzow), die geschichteten und ausgesägten Pappskulpturen von Heinz Kleine-Klopries (Wintersberger), Rainer Mangs Stein-GlasBeton-Monumente (Fahnemann), Thomas Schuttes monumentale Phantasie-Architektur (Fischer) und die spielerischsurrealen Objekte von Thomas Virnich (Reckermann). Da macht das Entdecken Spaß.

HNA 14. 11. 1983

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