Gleich drei Ausstellungen in Düsseldorf präsentieren neuere Kunst aus der UdSSR
Der magische Realismus triumphiert. Den Anfang machte in diesem Jahr der Aachener Sammler Peter Ludwig. Er kaufte in großem Stile Bilder und Plastiken sowjetischer Künstler und zeigte seine Neuerwerbungen erst in Moskau und dann in Köln und Aachen. Die Begeisterung über diesen Zugewinn an hier kaum bekannter Sowjet-Kunst hielt sich, vornehm ausgedrückt, in Grenzen. Und in Düsseldorf heulte gar die Kunstwelt auf, als ein Spitzenbeamter darüber nachdachte, ob diese Sammlung nicht in die Beuys-Stadt geholt werden solle.
Nach Ludwig kam Nannen, nach dem Sammler nun der zum Kunsthändler avancierte „stern“-Herausgeber. Henri Nannen zeigt mit Hilfe des Kunstvereins für die Rheinlande und Westfalen in der Düsseldorfer Kunsthalle „Russische Malerei heute“, eine große Verkaufsausstellung. Ein Stockwerk tiefer stellt die Kunsthalle (beide bis 5. Januar) den russischen Zeichner und Maler Alexander Deineka (1899 — 1969) vor. Und im einen Kilometer entfernten Kunstpalast hat die „Große Kunstausstellung Düsseldorf“ ihr Angebot um Werke von „Vierzig Künstlern aus der Sowjetunion“ (bis 2. Januar) erweitert.
Man reibt sich die Augen: Jahrzehntelang wurde die offizielle Kunst aus der UdSSR (und der DDR), die immer gegenständlich-realistisch war, wie ein Aussätziger gemieden. Und nun soll alles anders sein? Während in Hamburg die DDR-Kunst ihren festlichen Auftritt hat, wird in Düsseldorf sowjetische Kunst in einem Maße ausgebreitet, als dürfe man sich keinen Namen entgehen lassen.
Was ist passiert? Sicher, wir haben uns verändert: Die Aufarbeitung der 20er bis 40er Jahre wie auch die jüngere Kunstentwicklung in den westlichen Ländern haben der gegenständlichen Kunst wieder zu ihrem Recht verholten. Insofern sind wir auch eher in der Lage, uns mit sowjetischer Kunst sachlich auseinanderzusetzen und zu erkennen, daß diese Kunst nicht nur sozialistisch-propagandistisch ist. Andererseits ist der Wunsch der Sowjets verständlich, ihre aktuelle Kunst vorzuführen, nachdem in mehreren Ausstellungen die ältere russische Malerei und der Kunst-Revolutionär Malewitsch hierzulande gezeigt worden waren.
Ein wichtiger Vermittler auf der neuen Kunstachse ist Moskaus Bonn-Botschafter Semjonow, der vor zwei Jahren seine eigene Sammlung in Köln gezeigt und dabei bewiesen hatte, daß es auch in der Sowjetunion eine mit sich selbst beschäftigende Malerei gibt. So überzeugend wie diese Schau ist keine der augenblicklichen Ausstellungen. Den schwächsten Teil hat die „Große Kunstausstellung Düsseldorf“ erwischt. Da prägen sich die heldenhaften Bilder und Skulpturen von Revolution und Arbeit mehr ein als die poetischen Stilleben und und träumerischen Gemälde, in denen die realistische Malweise aufgeweicht wird.
Die Übersicht über das Werk Deinekas ist da schon wichtiger. Allerdings geht es hier weniger um einzelne herausragende Bilder, sondern mehr um die Dokumentation einer Entwicklung, um die Typologie eines sozialistischen Künstlers. Deineka begann als ein Künstler der Revolution, illustrativ, plakativ und karikierend. Er rechnete mit der alten Gesellschaft ab und wies der neuen ihren Weg. Doch seine Gemälde und Aquarelle wenden sich in späteren Jahren mehr und mehr privaten Themen zu (Landschaft, Mensch) werden weicher, durchlässiger, freier. Den heroischen Realismus gibt er damit nicht auf, doch auch die Bilder diesen Stils lassen die malerische Leidenschaft spüren. Mit Überraschung nimmt man die Blätter auf, die Deineka aus dem kriegszerstörten Deutschland mitgebracht hat: ungewöhnlich helle, von Licht durchflutete Ruinenlandschaften.
Den relativen Reichtum offizieller sowjetischer Kunst lernt man in der von Nannen organisierten Malerei-Ausstellung kennen. Hier trifft man auf Künstler, die auf ihre Weise die A ufbruchsjahre der Kubisten nachvollziehen (Aram Avakimovich Kupetsian) oder die sich ganz dem Spiel mit Farbflächen widmen (Ionas Kasio Shvazhas). Hier aber triumphieren vor allem die magischen und phantastischen Realisten, die ihre Gegenstände und Figuren hart und brillant ins Bild setzen (Mikhall S. Borisow und Tatjana Nazarenko) oder die versonnen von Landschaften und Traumbildern erzählen (Alexander Petrow und Natalja Nesterowa). Eben diesen subjektiven Realismus hatte auch der sowjetische Pavillon zur Biennale in Venedig in den Vordergrund gerückt.
HNA 4. 12. 2982
Die Russen haben Hochsaison
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